Mit Bazooka und Schrotflinten

Deutschland will die Wirtschaftskrise abfedern - die USA zielen mehr auf die Zeit danach

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

»Was auch immer es kosten mag« - dazu bekennen sich die USA und Europa bei ihren Rettungspaketen. Doch in Wirklichkeit reagieren die Regierungen recht unterschiedlich.

Von Hermannus Pfeiffer

Europa zögert noch, während US-Präsident Donald Trump bereits mit seiner »Bazooka« feuert: Zwei Billionen Dollar will Washington mobilisieren, wie nach kontroversen Verhandlungen zwischen dem Weißen Haus und beiden Parteien im Parlament beschlossen wurde.

Im Mittelpunkt steht ein Kreditprogramm für Großunternehmen in Höhe von 500 Milliarden Dollar. Dieses Geld soll das US-Finanzministerium als Eigenkapitaleinlage in die Zentralbank Fed einbringen, die dadurch sogar Kredite von mehreren Billionen Dollar vergeben kann. Kleine und mittlere Unternehmen erhalten ein Kreditprogramm über fast 400 Milliarden Dollar. Zuschüsse an Bundesstaaten und Kommunen, Krankenhäuser und Fluggesellschaften sollen ebenfalls fließen.

Das Paket entspricht laut einer Analyse der Commerzbank rund neun Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) der USA. Zum Vergleich: Das Konjunkturpaket der Obama-Administration in der Weltwirtschaftskrise 2009 hatte einen Umfang von etwa 800 Milliarden Dollar (damals 5,5 Prozent des BIP). Orchestriert wird Trumps Donnergrollen von Bundesstaaten und der Fed. Die Zentralbank hat versprochen, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die aktuelle Krise einzudämmen. Dieses »Whatever it takes« dürfte die Bilanzsumme der Federal Reserve »um Tausende Milliarden Dollar ausweiten«, erwarten die Analysten der Commerzbank.

Ähnlich kraftstrotzend hat die Europäische Zentralbank (EZB) mit einem Notfallankaufprogramm von Anleihen reagiert. Dagegen sind der EU-Kommission weitgehend die Hände gebunden. Eine gemeinsame Schuldenaufnahme mittels Coronabonds lehnen einige Staaten unter deutscher Führung trotz steigenden politischen Drucks weiterhin ab. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will bis zu 100 Milliarden Euro bereitstellen, schlägt ein europäisches Kurzarbeitergeld und einen Marshallplan für die Zeit nach der Krise vor. Doch was davon wirklich realisiert wird, ist unklar - Mitte der Woche wollen die Regierungen der Mitgliedsländer über ein Gesamtpaket entscheiden, das an diesem Dienstag bei einem Treffen der Finanzminister vorbereitet werden soll.

Angesichts eines BIP von rund 16 Billionen Euro sind die bisher genannten Summen gering. Europa schießt nicht mit einer »Bazooka«, aber, um im Bild vom »Krieg gegen Corona« zu bleiben, das der französische Präsident Emmanuel Macron geprägt hat, ballert Europa breit gestreut mit Schrotgewehren herum. In Deutschland ist das Rettungsprogramm in Relation zum BIP ähnlich hoch wie in den USA, hat der Bremer Ökonom Rudolf Hickel ermittelt. Allein die bisher geplanten Maßnahmen des Bundes und der Länder addierten sich auf über 1,5 Billionen Euro. »Im Vergleich zu den USA ist das, bezogen auf die Bevölkerung, viel mehr«, sagte er gegenüber »nd«. Von der Leyen wiederum bezifferte vor wenigen Tagen die Gesamtsumme der von EU und Mitgliedstaaten bisher mobilisierten Mittel auf 2,7 Billionen Euro; dies entspräche mehr als 15 Prozent des BIP.

In den USA wie der EU bestehen die Pakete nicht allein aus direkten Staatsausgaben, sondern auch aus Krediten und Bürgschaften. Und meist steht die genaue Umsetzung noch aus oder sie wird schon wieder geändert. Donald Trump hat ferner den »Defense Production Act« aktiviert, ein Kriegswirtschaftsgesetz aus dem Jahr 1950, mit dem Firmen zu einer Produktionsumstellung gezwungen werden können. Reine Zahlenvergleiche zwischen EU und USA sind daher mit Vorsicht zu genießen.

Bei der Bankenrettung während der Finanzkrise gab es bereits ein unterschiedliches Ergebnis: Das damalige Programm in den USA brachte dem Steuerzahler am Ende ein beträchtliches Plus ein, in Europa dagegen ein sattes Minus. Auch diesmal könnten hohe Verluste bleiben, da Europa stark auf Kredithilfen setzt, die über private Banken laufen.

Ökonomen weisen auch auf Unterschiede in den Arbeits- und Sozialsystemen hin. Während in den USA wie auch in Großbritannien »prekäre« Arbeitsformen schon lange weit verbreitet sind und die ohnehin schwachen Sozialsysteme unter den konservativen Regierungen weiter zusammengestrichen wurden, greifen in der EU antizyklisch wirkende »automatische Stabilisatoren« wie Arbeitslosen- und Kurzarbeitergeld. Daher stieg in Deutschland die Zahl der Arbeitslosen mit der Coronakrise bisher kaum; dagegen haben in Großbritannien fast eine Million Menschen die Sozialleistung »Universal Credit« beantragt, weil sie kein Einkommen mehr haben. Die USA verzeichneten in nur zwei Wochen zehn Millionen neue Erwerbslose. Das gab es noch nie.

Das kurzfristig stabilisierende Kurzarbeitergeld macht aber auch eines deutlich: Zielt Europa vor allem auf das Überleben der Wirtschaft in der Krise, geht es in den USA mehr um die Zeit danach. So soll die »Bazooka« auch den Konsum wieder in Trab bringen: Geplant ist eine Direktzahlung von 1200 Dollar an jeden Bürger bis zu einer Gehaltsobergrenze von 75 000 Dollar, damit es schnell wieder zu einem Aufschwung nach der Rezession kommt.

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