Care-Arbeit wird nicht wertgeschätzt

Die Initiative Equal Care Day fordert die Anerkennung von Sorgearbeit als gesellschaftliches Grundfundament

  • Lisa Ecke
  • Lesedauer: 3 Min.

Weltweit leisten Frauen täglich mehr als 12 Milliarden Stunden Sorgearbeit. Ohne dafür bezahlt zu werden. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie von Oxfam, einem internationalen Verbund verschiedener Hilfs- und Entwicklungsorganisationen. Unter Sorge-, oder auch Care-Arbeit sind beispielsweise Kindererziehung und Betreuung, Pflege von kranken und alten Menschen, Putzen, Kochen und generell alle bezahlten und unbezahlten Tätigkeiten zur Versorgung zusammengefasst.

Die Initiative Equal Care Day will die Systemrelevanz der Sorgearbeit in den Fokus stellen. Im Rahmen der Equal Care Day Konferenz am 29. Februar 2020 ist ein Manifest entstanden, das am Dienstag veröffentlicht wurde. Mitgewirkt haben Berufsverbände wie der Hebammenverband, Eltern und generell Menschen aus verschiedenen Feldern, die mit Carearbeit zu tun haben.

»In Deutschland leisten Frauen zu 35 Prozent mehr unbezahlte Arbeit als Männer«, sagt Uta Meier-Gräwe, Haushaltswissenschaftlerin und Mitinitiatorin des Manifestes.

Besonders in der Corona-Zeit, in der die Kinderbetreuung nicht mehr wie gewohnt stattfindet, in der auf einmal Pfleger*innen mehr öffentliche Beachtung erhalten, rückt die Relevanz der Care-Arbeit mehr in den Mittelpunkt. Trotzdem haben die Reaktionen auf die Corona-Pandemie gezeigt, dass der Fokus der Hilfspakete vor allem auf Gesundheitsfragen und Wirtschaftsinteressen liegt.

Für die Initiative Equal Care Day ein guter Startpunkt, um Verbesserungen für die Menschen, die Carearbeit leisten, zu fordern. 18 Forderungen wurden in dem Manifest aufgestellt. Unbezahlte Sorgearbeit müsse fair zwischen den Geschlechtern verteilt werden und die bezahlte Arbeit besser entlohnt werden. Zu den Forderungen zählen die Abbildung der Wertschöpfung durch unbezahlte Sorgearbeit in den volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen und eine Übernahme von Care-Verantwortung durch privatwirtschaftliche Unternehmen.

»Momentan geht die Erzählung so: Die Wirtschaft muss angekurbelt werden. Erst wird erwirtschaftet, damit dann Carearbeit quersubventioniert werden kann. Das ist genau der falsche Ansatz«, erklärt Angela Häußler, Professorin für Alltagskultur und Gesundheit, eine weitere Mitinitiatorin des Manifestes.

Ein grundsätzlich anderes Wirtschaften sei nötig, die Care-Arbeit müsse dabei das Fundament bilden. »Wir merken jetzt in der Coronakrise, dass alles heruntergefahren werden kann - außer die Care-Arbeit«, begründet Häußler die Forderung. Eine Lösung könne nach Meier-Gräwe etwa eine Care-Abgabe für Unternehmen sein. Diese würden bisher durch die unbezahlt geleistete Sorgearbeit nur profitieren.

Jetzt während der Coronakrise werde vor allem von Müttern erwartet, die Utopie der Vereinbarkeit von Beruf und Kindern privat umzusetzen. Wenn nun über Förderprogramme nachgedacht wird, um die Auswirkungen der Pandemie auf die einzelnen gesellschaftlichen Bereiche abzumildern, müsse die Systemrelevanz der Care-Arbeit die Richtlinie sein, so der Konsens der Initiator*innen auf einer Pressekonferenz.

Es könne nicht darum gehen, nach der Pandemie ein System wiederherzustellen, das den aktuellen Herausforderungen nur sehr bedingt gewachsen ist und das un- sowie unterbezahlte Care-Arbeit nicht ausreichend anerkennt.

Aber auch die schlechte Bezahlung der Lohnarbeit in diesem Bereich spielt im Manifest eine Rolle. Laut der Bundesagentur für Arbeit haben 2019 in Deutschland in der Kinderbetreuung fast 90 Prozent Frauen gearbeitet. In medizinischen Berufen, der Pflege und im Rettungsdienst sind rund 84 Prozent der Beschäftigten weiblich. »Wenn Care-Arbeit besser entlohnt wird, sind mehr Männer dabei. Solange dies nicht der Fall ist, sehen sie keine Notwendigkeit dafür«, sagt Bettina Metz, Geschäftsführerin von UN Women Deutschland und ebenfalls Mitbegründerin des Manifestes.

Hinzu komme laut dem Care-Manifest, dass die Arbeitsbedingungen und Löhne in den weiblich konnotierten Sorgeberufen mitnichten dem hohen Anforderungsprofil und den vielfältigen Versorgungsleistungen entsprächen, die dort täglich erbracht werden würden.

»Carearbeit wird systematisch abgewertet«, sagt Mara Brückner von Oxfam gegenüber »neues deutschland«. »Es geht nicht nur um Umverteilung zwischen den Geschlechtern, sondern um konkrete Maßnahmen.«

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