Wofür braucht man Messer und Gabel?

Dr. Schmidt erklärt die Welt

Wofür braucht man Messer und Gabel?

Bei unserem letzten Gespräch ist eine Frage offen geblieben: Wofür braucht man Messer?

Wissenschaftsredakteur Dr. Steffen Schmidt

Dr. Steffen Schmidt, Jahrgang 1952, ist Wissenschaftsredakteur des »nd« und der Universalgelehrte der Redaktion. Auf fast jede Frage weiß er eine Antwort - und wenn doch nicht, beantwortet er eine andere.

Foto: nd/Ulli Winkler

Natürlich zum Schneiden, aber auch als Hilfsmittel zum Schieben. Es irritiert zumindest Kinder, weil sie ja oft keine Speisen haben, die sie schneiden müssen.

Vom Brei zur Bratwurst.

Ja. Betrachtet man jedoch die Geschichte des Essbestecks, ist die Gabel viel seltsamer. Die Römer und Griechen sollen angeblich vereinzelt so etwas benutzt haben, aber mit dem Christentum war das perdu, weil die Gabel als das Zeichen des Teufels galt. Auch Luther hat dagegen gewettert. Früher wurden im wesentlichen die Hände benutzt und vielleicht noch ein Löffel.

Der Löffel ist das älteste Besteck?

Ja, die Gabel taucht erst wieder im 16. Jahrhundert in Frankreich auf, als Esswerkzeug der besseren Damen für Süßigkeiten und Obst. Wahrscheinlich hängt das auch mit dem Wechsel in der Kochkultur zusammen, die von der Toskana aus verfeinert wurde, als die Medici zweimal ins französische Königshaus einheirateten. Außerdem gab es eine Umwälzung in der Medizin: Man löste sich von der alten Lehre der Griechen, die alles an den vier Säften festmachten und den damit verbundenen Warm-, Kalt-, Trocken-, Nass-Vorstellungen, die dem Körper zugeführt oder abgeführt werden sollten. Damit änderte sich die Speisenfolge, man musste die Hauptgerichte nicht mehr süßen und konnte auch Rohkost essen.

Hildegard von Bingen, die erste Diätköchin, lehnte Salat ab.

Ja und auch die Gabel, die war für sie des Teufels. Nicht aber der Apfel, den die alten Kirchenleute noch für Sünde hielten.

In der Serie »House of Cards« hat Kevin Spacey als verbrecherischer Politiker ein allmorgendliches Ritual. Er schneidet in der Küche einen Apfel in kleine Stückchen, die er mit der Hand isst. Quasi die Speise der Tyrannen.

Also ich kenne etliche Apfelesser, die eher nicht zur Tyrannei neigen.

Die Gabel kommt zum Besteck durch einen Transfer vom Adel zum Plebs?

Alle Schichten, die irgendwann mal versucht haben, die vorher herrschenden Schichten abzusägen, haben ja zum großen Teil auch deren Sitten und Gebräuche übernommen. Das findet sich betrüblicherweise bis hin zu den etwas kleinbürgerlichen Kunstvorstellungen im Realsozialismus. Aber Fleisch gab es jede Menge, was früher ein Festtagsessen war.

Nächstes Jahr wird in der EU das Plastikbesteck verboten.

Zum Glück. Es vermüllt die Umwelt und ist praktisch nicht zu gebrauchen. Entweder bricht dir das Messer ab oder die Gabel, oder das Essen fliegt weg.

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