Gespenstische Leere

Eine Hotelangestellte erzählt, was jetzt nicht mehr drin ist.

  • Susanne Romanowski
  • Lesedauer: 2 Min.

»Wir waren voll gebucht, dann kam eine Absage nach der anderen - durch die staatlichen Verordnungen war dann alles am Boden«, erinnert sich eine Hotelangestellte, die anonym bleiben möchte. Seit neun Jahren arbeitet sie in der Verwaltung eines Charlottenburger Hotels, seit März ist sie in Kurzarbeit. Statt Vollzeit geht sie nur noch zweimal die Woche arbeiten. Dabei hätte sie genug zu tun, »acht Stunden waren vorher kaum genug, ich hatte alle Hände voll zu tun«. Das Gefühl der Unsicherheit, nicht zu wissen, was kommt, das kenne sie noch von der Wende. Jeden Monat habe sie nun 450 Euro weniger zur Verfügung.

Die finanziellen Einbußen sind für sie nicht existenziell bedrohlich, aber spürbar. »Ich kann Miete zahlen, Essen, Trinken, mal ausgehen«, sagt sie. »Aber was weglegen oder einen neuen Fummel kaufen, das ist nicht drin, und das ist ja das, was das Leben auch ausmacht.« Sie habe Glück, schon lange in ihrer Wohnung zu leben, »ansonsten würde man ins Straucheln kommen«. Trotzdem habe sie angefangen, sich nach einem Nebenjob in der Buchhaltung umzuschauen, bislang ohne Erfolg.

Dass sie sich eine Nebenbeschäftigung wünscht, hat nicht nur mit dem Geld zu tun. »Ich habe immer viel und gerne gearbeitet«, sagt sie. Derzeit kümmere sie sich im Hotel vor allem um liegen gebliebene Rechnungen aus dem März. Sie hätte immer noch mehr als genug zu tun, aber »was ich in den Tagen nicht schaffe, muss ich wann anders machen. Das ist eigentlich nicht mein Ding, nicht meine Einstellung zu Arbeit«, erklärt sie.

Zurzeit falle es ihr schwer, sich zur Arbeit aufzuraffen, »niemand hat so richtig Lust. Es ist alles demotivierend gerade.« Wenn sie nicht arbeitet, verbringt sie Zeit mit ihrer Familie, der Enkel freue sich, dass seine Oma jetzt öfter da ist.

Die Atmosphäre im Hotel beschreibt sie auch für die Beschäftigten als »gespenstisch«. Andere Angestellte, etwa die in der Gastronomie, arbeiten derzeit gar nicht. Auch das trägt dazu bei, dass die Arbeit der Buchhalterin gerade keine Freude macht: »Es gibt kein Leben, keine Kollegin vom Frühstücksservice, mit der du mal einen Spaß machen kannst.«

Insgesamt sei sie aber zufrieden damit, wie ihr Arbeitgeber die Situation gehandhabt hat: »Dass die Mitarbeiter ihr Geld bekommen, war immer oberstes Gebot.« Für die Kontaktbeschränkungen habe sie immer Verständnis gehabt. Trotzdem kann sie es kaum erwarten, dass die Situation sich bald normalisiert. Die ersten neuen Buchungen seien schon da.

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