Nutzungskonflikte ums kostbare Nass

Wegen der anhaltenden Trockenheit muss wieder mehr Wasser in der Landschaft verbleiben

  • Verena Kern
  • Lesedauer: 4 Min.

Aus extrem ist normal geworden, warnte kürzlich der Deutsche Wetterdienst (DWD). »Was früher ein extrem heißer Sommer war, ist heute ein durchschnittlicher Sommer.« Der DWD spricht von einem »drastischen Phänomen« in allen Regionen und Höhenlagen in Deutschland. Selbst die kühlsten Sommer der letzten 25 Jahre blieben über dem langjährigen Durchschnitt vor 1990. Die Erwärmung bringt nicht nur mehr Hitzewellen und eine steigende Waldbrandgefahr mit sich, sie verstärkt auch Dürreperioden. Je wärmer es ist, desto mehr Feuchtigkeit verdunstet aus dem Boden. Zudem verlängern höhere Temperaturen die Vegetationszeit, in der Pflanzen dem Boden Wasser entnehmen.

Zuletzt hat es relativ viel geregnet, auch von der Rekordhitze der »Jahrhundertsommer« 2018 und 2019 ist Deutschland bislang verschont geblieben. »Es ist ein typischer mitteleuropäischer Sommer«, sagt Meteorologin Jacqueline Kernn vom DWD. Dennoch ist es zu trocken: Die Niederschläge der letzten Wochen haben bei Weitem nicht ausgereicht, um die tiefen Bodenschichten aufzufüllen. Das Frühjahr 2020 war laut Kernn wie die sechs vorherigen zu trocken. Statt 186 Liter pro Quadratmeter fielen nur 108 Liter.

»Es müsste viele Wochen überdurchschnittlich viel regnen, um das Wasserdefizit im Gesamtboden auszugleichen«, sagt An-dreas Marx, der am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig für den Dürremonitor zuständig. Das Schaubild ist fast flächendeckend gelb bis dunkelbraun eingefärbt. Das bedeutet: »ungewöhnlich trocken« bis »außergewöhnliche Dürre«. Besonders dramatisch ist die Lage in Ostdeutschland. »Es ist das dritte Jahr mit extremer Dürre in Folge«, sagt Marx. »Das gab es in Deutschland bisher noch nicht.«

Die Schäden sind enorm. 250 000 Hektar Wald gingen laut UFZ durch die beiden Dürresommer verloren. Die Schadholzmenge von 70 Millionen Festmetern entspricht drei Jahreseinschlägen. Die Landwirtschaft verzeichnete Ernteausfälle. Rhein und Elbe waren zeitweilig nicht schiffbar, weshalb Tankstellen nicht beliefert werden konnten. Zudem sinkt bei steigender Wassertemperatur der Sauerstoffgehalt. Auch das Grundwasser wird wärmer und seine Qualität schlechter.

Die Bürgerinnen und Bürger treibt das Thema ebenfalls um. Laut einer am Dienstag vorgestellten Forsa-Umfrage im Auftrag der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) machen sich 78 Prozent große bis sehr große Sorgen wegen der anhaltenden Trockenheit.

Zu Recht: »Wasser ist ein knappes Gut«, sagt DBU-Generalsekretär Alexander Bonde. »Nutzungskonflikte werden künftig zunehmen.« Die Stiftung fordert deshalb einen Paradigmenwechsel. Kluges Wassermanagement im ländlichen Raum solle dafür sorgen, dass mehr Wasser in der Landschaft bleibt. »Früher ging es darum, Wasser schnell abfließen zu lassen«, sagt Maximilian Hempel, bei der DBU für Umweltforschung und Naturschutz zuständig. Man entwässerte Flächen über Gräben und Drainagen, begradigte Flüsse und Bäche. So konnten Moore, Auen und Feuchtgebiete nutzbar gemacht werden. Es blieben aber auch nur wenige Reserven in der Landschaft. »Regnet es längere Zeit nicht, trocknen die Flächen immer mehr aus und der Grundwasserspiegel sinkt«, sagt Hempel. »Heute muss es darum gehen, Wasser länger und kaskadenartig zu nutzen.«

Wie das funktionieren könnte, zeigen von der staatlichen Stiftung geförderte Projekte, die Akteure aus Behörden, Wasser- und Landwirtschaft sowie Naturschutz zusammenbringen. Gemeinsam arbeiten sie an Lösungen wie dem Schließen von Entwässerungsgräben an einem der größten nutzbaren Grundwasservorkommen Nordrhein-Westfalens, den Halterner Sanden. Renaturierungsmaßnahmen an der Mulde in Sachsen geben dem Fluss mehr Raum, fördern zugleich Artenvielfalt sowie Wasserqualität und reduzieren die Hochwassergefahr.

Als Möglichkeit, mehr Wasser im Boden zu halten, schlägt der Umweltverband BUND den Aufbau von Humus auf den Äckern vor. »Humusreiche Böden können bis zu einem Vierfachen ihres Eigengewichts an Wasser aufnehmen«, sagt Burkhard Roloff vom BUND Mecklenburg-Vorpommern. Auch eine höhere Kohlenstoffspeicherung in den Böden wird dadurch erzielt.

Zudem hat die Energiewende positiven Einfluss, zeigt eine Studie des Clausthaler Umwelttechnik-Forschungszentrums. Bis 2050 wird sich demnach der Wasserbedarf des Energiesektors um die Hälfte verringern, wenn die Erneuerbaren wie geplant ausgebaut werden. So entfällt die Kühlwassernutzung durch Kohle- und Atomkraftwerke.

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