»Eine Beantwortung muss unterbleiben«

Wer gehörte zum rechten Umfeld vom mutmaßlichen Lübcke-Mörder? Auf eine Kleine Anfrage der Linken-Fraktion gibt die Bundesregierung wenig preis

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.

Bevor am 28. Juli der Anwalt von Stephan Ernst, mutmaßlicher Mörder von Walter Lübcke, von seinen Aufgaben entbunden wurde, hatte er Fragen zu möglichen Mittätern gestellt. Frank Hannig hatte beantragt, anhand einer Funkdatenauswertung zu prüfen, ob Arbeitskollegen von Ernst in der Tatnacht am 1. Juni 2019 vor Ort am Haus des Kasseler Regierungspräsidenten waren. Ob er auf eine terroristische Vereinigung hinaus wolle, fragte ihn der Vorsitzende Richter daraufhin.

Auch in der vergangenen Woche ging es wieder um die Frage von Mittätern. War S. in die Tat involviert, wusste er zumindest von dem Vorhaben? Er war die einzige Person, mit der Ernst – außer dem Mitangeklagten Markus H. - noch im verschlüsselten Chat Threema Nachrichten ausgetauscht hatte. Ab drei Personen kann wegen terroristischer Vereinigung ermittelt werden.

Bisher wird im laufenden Gerichtsprozess die These vom Einzeltäter Ernst verfolgt. Seit dem erneuten Geständnis von Ernst vom Mittwoch, Lübcke selbst erschossen zu haben, könnte der Blick des Gerichts auf ein Netzwerk geweitet worden sein. Ernst belastete seinen Mitangeklagten Markus H. schwer. Hatte er ihn in seinem ersten Geständnis noch ausgespart, erklärte er nun, dass H. die Tat mit geplant habe, mit am Tatort gewesen sei und ihn zum Schießen aufgefordert hätte.

Mehr Erkenntnisse zu Mittätern könnte das parallel laufende sogenannte Strukturermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts gegen rechtsextreme

Netzwerke im Zusammenhang mit der Ermordung Walter Lübckes und dem NSU bringen. Dieses richtet sich gegen Unbekannt und soll strafrechtlich relevante Verbindungen zu rechtsextremen Netzwerken ermitteln.

In einer Kleinen Anfrage versuchte die Bundestagsabgeordnete der Linken Petra Pau nun, mehr über bisherige Ermittlungsergebnisse zu erfahren. Die einzig nennenswerte Information aus 22 Fragen und wesentlich weniger Antworten: Bisher sind keine Ermittlungen eingestellt worden, weder gegen bekannte Personen noch gegen Unbekannt.

Auch wird noch einmal deutlich gemacht, dass zwar ermittelt werden soll, ob Strukturen bestehen, die als Vereinigung zu bewerten seien. Aber »ein Anfangsverdacht für eine Straftat nach §§ 129, 129a des Strafgesetzbuchs« bestehe derzeit nicht, heißt es in der Vorbemerkung zur Kleinen Anfrage.

Ansonsten hieß es: »Eine Beantwortung zu Fragen nach Ermittlungsmaßnahmen und daraus gewonnenen Erkenntnissen muss unterbleiben.« Die laufenden Ermittlungen könnten konterkariert werden.

Petra Pau sprach auf Twitter von einer »Antwortverweigerung« der Bundesregierung. »Durch die quasi Nicht-Beantwortung der Kleinen Anfrage stellt sich die Frage, wie ernsthaft zwei Jahre nach Abschluss der NSU-Prozesses noch im Umfeld ermittelt wird.« Die Blickverengung auf Haupttäter könne gefährlich sein – das zeigten die Kontinuitäten des rechten Terrors der letzten Jahre. Sie alle hatten »Netzwerke, Strukturen und Helfer, die sie unterstützen. Diese gilt es restlos aufzuklären.«

Der Gerichtsprozess gegen Stephan Ernst und Markus H. wird am Montag fortgesetzt. Dann soll die Befragung Ernsts durch die Richter weitergehen.

Alle Texte zum Thema Lübcke-Mord: dasnd.de/luebcke

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