Dänen und Friesen klopfen in Berlin an

Minderheitenpartei SSW will im kommenden Jahr in den Bundestag einziehen

  • Dieter Hanisch, Flensburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Alles Interesse galt dem Tagesordnungspunkt fünf, dem Parteitagsvotum zur Bundestagskandidatur samt zweistündiger Debatte von Befürwortern und Gegnern. Der Landesvorstand des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW) stand ebenso für einen Wahlantritt der Kandidaten wie die Parteijugend. Zuvor hatte es vier Regionalkonferenzen gegeben, auf denen ebenfalls mit rund 70 Prozent für eine Wahlteilnahme 2021 plädiert wurde. Dass die Flensburger Entscheidung dann doch nicht zum Selbstläufer wurde, zeigte das Abstimmungsergebnis: Von 111 Delegierten stimmten 66 dafür, 41 dagegen und vier SSWler enthielten sich. Am Ende setzte sich aber die Auffassung eines Delegierten durch: Wir können auch Berlin.

Leidenschaftlich hatte zuvor SSW-Landeschef Flemming Meyer für die Kandidatur geworben. Er argumentierte, dass besonders die Minderheitenbelange nicht angemessen von den 26 jetzigen Bundestagsabgeordneten aus Schleswig-Holstein vertreten werden. Ausdrücklich versicherte Meyer, dass sich ein SSW-Abgeordneter in Berlin selbstverständlich auch für die Interessen von anderen Minderheiten wie der Sorben oder der Sinti und Roma einsetzen würde. Das gelte für Bildungspolitik genauso wie für den Bereich Digitalisierung. Vorbei sind jedenfalls die Zeiten, als sich der SSW noch mit dem Slogan »Ohne Berliner Zusätze« in Wahlkämpfen von anderen Parteien abgrenzte.

Als Gegenargumente mussten sich die Befürworter in der Aussprache anhören, dass ein zusätzlicher Wahlkampf die Partei mit ihren rund 3300 Mitgliedern finanziell wie personell zu stark beanspruchen würde. Wahlkampfkosten von 150 000 Euro wurden skizziert. Ferner wurde ausgeführt, dass ohne Fraktionsstatus und damit ohne ein Recht auf Einbringung von Anträgen die Einflussnahme gegen Null gehen würde. Meyer konterte mit den Erfahrungen in der Landes- und Kommunalpolitik: »Allein die Anwesenheit auch nur eines Abgeordneten im Bundestag würde andere Parteien dazu bringen, ihre Politik zu ändern«, abgesehen von grundsätzlich mehr öffentlicher Wahrnehmung.

Der SSW saß bereits einmal von 1949 bis 1953 in Person von Hermann Clausen im damaligen Bonner Bundestag. 75 000 Stimmen hatte er seinerzeit bekommen. Das letzte Mal kandidierte die Partei 1961, scheiterte aber mit 25 000 Stimmen. Dann wurde das Thema zu den Akten gelegt. Dabei ist die Minderheitenpartei auf Bundes- wie auf Landesebene von der Fünf-Prozent-Klausel befreit; sie muss für ein Mandat nur so viele Stimmen erzielen, wie nach dem Berechnungsverfahren einen Sitz garantieren würde. Je nach Wahlbeteiligung wären das für den Bundestag zwischen knapp 50 000 und 60 000 Stimmen. Die SSW-Verantwortlichen halten das für eine erreichbare Größe. Bei der Landtagswahl 2012 holte man immerhin 61 000, fünf Jahre später aber auch nur noch 49 000 Stimmen.

Für den Kurs auf Berlin gilt nun folgender Fahrplan: In fünf Wahlkreisen will man Direktkandidaturen vorbereiten, ansonsten im Januar auf einem Sonderparteitag eine Landesliste verabschieden. Ende Mai soll das Bundestagswahlprogramm beschlossen werden.

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