Zustand des Bahnhofs stinkt Bürger an

Der heruntergekommene Haltepunkt am Flughafen Schönefeld soll nicht bloß einen frischen Anstrich erhalten

Wer am Flughafenbahnhof Schönefeld das dringende Bedürfnis verspürt, eine Toilette aufzusuchen, ist aufgeschmissen. Es gibt zwar theoretisch eine in dem 1985 eröffneten Bahnhofsgebäude, aber das ist seit 2014 geschlossen und verrammelt, die Toilette ist sogar schon seit 2009 nicht mehr zugänglich. Drüben im Flughafen, fünf Minuten Fußweg entfernt, gibt es jede Menge Toiletten. Aber derzeit hilft das den Bahnreisenden auch nicht weiter. Denn offiziell dürfen nur Passagiere mit Bordkarte den Airport betreten. Wer einen Fluggast abholen will, soll draußen warten, steht auf Hinweisschildern. Man kann zwar unkontrolliert hineinschlüpfen, verstößt dann allerdings gegen die Regeln. Wenn es abends dunkel wird, pinkeln manche Männer einfach in die Ecken des Bahnhofs, erzählt Wolfgang Katzer, Linksfraktionschef in der Gemeinde Schönefeld. Entsprechend streng riecht es zuweilen in der Unterführung.

Für Katzer ist das aber nur ein Ärgernis von mehreren an diesem Bahnhof. Von den Fassaden blättert Farbe, einige Metallteile setzen schon Rost an, auf den Bahnsteigen wuchert teilweise das Unkraut aus den Ritzen der Steinplatten. Katzer begann 1966 am Flughafen eine Lehre als Mechaniker und qualifizierte sich zum Bordingenieur bei der Interflug. Seit 1973 wohnt er in der Gemeinde, seit weit mehr als 30 Jahren ist er kommunalpolitisch aktiv. Der Zustand des Bahnhofs »liegt mir am Herzen, so wie vielen, eigentlich fast allen Einwohnern von Schönefeld«, sagt Katzer. Früher gab es im Obergeschoss des Bahnhofs ein Mitropa-Restaurant, unten Fahrkartenschalter. Zwischenzeitlich waren die internationalen Besucher Berlins auf Fahrscheinautomaten angewiesen. Diese ließen sich zwar auf alle möglichen Weltsprachen umstellen. Doch das half wenig, wenn die Touristen das Berliner Tarifsystem nicht durchschauten. Inzwischen sitzt eine Mitarbeiterin der S-Bahn Berlin in einem Container in der Unterführung und verkauft Tickets. Doch die Öffnungszeiten sind eingeschränkt. Wenn sie ihre verdiente halbe Stunde Mittagspause macht, stehen die Touristen wieder ratlos da.

Hilfesuchend wandte sich Wolfgang Katzer an den Landtagsabgeordneten Christian Görke (Linke). Der organisierte einen Vor-Ort-Termin. Einen Lichtblick gibt es immerhin: 40 Millionen Euro gebe der Bund für die Sanierung von deutschlandweit 167 Bahnhöfen aus. Ingesamt 1,8 Millionen Euro, erläutert Görke, fallen für acht Bahnhöfe in Brandenburg ab, darunter 220 000 Euro für den in Schönefeld. Vorgesehen seien aber im Prinzip leider nur ein frischer Anstrich und Schönheitsreparaturen, kritisiert Görke. »Im Großen und Ganzen bleibt der Bahnhof, wie er ist: ziemlich heruntergekommen.«

Für die Summe sei nicht mehr drin, bedauert Joachim Trettin, Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn für Brandenburg. »Der Wunsch, dass hier etwas passiert, der ist allzu verständlich«, räumt Trettin bereitwillig ein. Doch die um acht Jahre verzögerte Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens BER sei eine »Hängepartie« gewesen, wirbt er seinerseits um Verständnis. Das neue Hauptterminal hat einen schönen, neuen, unterirdischen Bahnhof. Auf den seien alle finanziellen Mittel konzentriert worden. Am 31. Oktober, wenn der BER endlich startet, werden die Regionalzüge in diesen Bahnhof umgeleitet. Der alte Schönefelder Bahnhof wird damit zu einer reinen S-Bahnstation herabgestuft, »so wie Köpenick oder Buch«, sagt Trettin. Erst 2025, wenn die Dresdner Bahn fertig sei, könnten eventuell auch wieder andere Züge hier halten. Man müsse abwarten, wie sich das Verkehrsaufkommen entwickelt und auf den alten und neuen Flughafenbahnhof verteilt.

Der Abgeordnete Görke glaubt, dass die in der Coronakrise eingebrochenen Fluggastzahlen nicht die für das Jahr 2040 prognostizierte Marke von 45 bis 50 Millionen erreichen werden - weil der Klimawandel und das gestiegene Umweltbewusstsein dazukommen und weniger Menschen Flugreisen unternehmen werden. Deshalb erwartet Görke, das geplante Erweiterungsterminal T3 werde nicht benötigt und niemals gebaut. Stattdessen werde das Terminal T5 - es ist der alte Airport Schönefeld - dauerhaft in Benutzung bleiben. Dann behält aber auch der alte Flughafenbahnhof eine höhere Bedeutung als eine gewöhnliche S-Bahnstation. Görke formuliert es so: »Wir werden dauerhaft mit dem Terminal T5 leben. Die Welt wird nach Corona eine andere sein. Das Flugwesen entwickelt sich nicht so.«

Doch im Moment werden in Schönefeld pro Tag nur 24 000 Ein- und Ausstiege gezählt. »Das sind für Berliner Verhältnisse relativ wenig«, sagt Cornelia Kadatz, die bei der DB das Management der Berliner Fernbahnhöfe leitet, zu denen Schönefeld gehört. Das alte Bahnhofsgebäude könne nicht einfach wieder geöffnet werden, weil es den modernen Brandschutzbestimmungen nicht entspreche. Allein dies nachzurüsten, würde sicherlich Hunderttausende Euro kosten - und selbst wenn man einen Mieter finden würde, decke das nicht die Aufwendungen. Kadatz findet aber toll, dass die Gemeinde »Lust auf ihren Bahnhof hat«. Etwas besseres könne dem Bahnhofsbetreiber gar nicht passieren. Zunächst müssten Ideen gesammelt werden, was geschehen sollte. Optionen gibt es einige: Das alte Gebäude sanieren oder aber abreißen und durch einen Neubau ersetzen, der vielleicht kleiner ausfällt - abhängig davon, was man mit ihm anfangen will.

Hier finden alle einen gemeinsamen Nenner. Sie wollen sich innerhalb der kommenden vier Wochen zusammensetzen und beraten. »Da bin ich dabei«, versichert Kadatz.

Es geht hier nicht allein um Besucher aus aller Welt, sondern auch um die einheimische Bevölkerung. Auf der dem Flughafen abgewandten Seite des Bahnhofs entsteht auf einer riesigen Freifläche ein neues Wohngebiet. Der Abgeordnete Görke möchte Verkehrsminister Guido Beermann (CDU) ansprechen und im Landtag dafür werben, Investitionen in den Bahnhof Schönefeld durch das Land Brandenburg zu fördern. Er verspricht: »Ich kümmere mich.«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal