Nicht mehr die schlimmste Krise

Ökonomen heben Konjunkturprognose an

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 2 Min.

Als es im Frühling zum Lockdown kam, kannten die Experten nur noch Pessimismus. Der prognostizierte Wirtschaftseinbruch werde »die schlimmste Rezession seit der Großen Depression sein und wesentlich schlimmer als die globale Finanzkrise von 2008 bis 2009«, prognostizierte zum Beispiel die Chefökonomin des Internationalen Währungsfonds, Gita Gopinath. Doch zumindest in Deutschland ist man offenbar besser durch die Krise gekommen, als zunächst gedacht. So geht die Arbeitslosigkeit hierzulande wieder zurück. Zwar waren im September mit 2,847 Millionen Menschen noch 613 000 mehr arbeitslos als im Vorjahresmonat. Aber immerhin waren es 108 000 weniger als vor einem Monat. Die Arbeitslosenrate ging damit um 0,2 Prozentpunkte auf 6,2 Prozent zurück.

Auch das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) musste seine Einschätzung relativieren. Man sei jetzt »ein Stück weit optimistischer« als im Juni, sagte IMK-Direktor Sebastian Dullien am Mittwoch. Damals hatte sein Institut noch einen Wirtschaftseinbruch von 6,2 Prozent für dieses Jahr prognostiziert. Nun rechnet das IMK mit einem Minus von 5,2 Prozent. Damit dürfte die coronabedingte Krise doch nicht so schlimm sein wie die letzte Wirtschafts- und Finanzkrise. 2009 betrug der Einbruch laut Dullien nach aktuellem Datenstand 5,6 Prozent.

Der Grund dafür: Nach einem beispiellosen Einbruch im Frühling folgte auch ein beispielloser Aufschwung. Nachdem das Bruttoinlandsprodukt von April bis Juni um ein Zehntel geschrumpft ist, dürfte es im Sommer um 6,1 Prozent gestiegen sein. Allein dass die Restaurants und Bars wieder öffneten, die Menschen doch in den Urlaub gefahren sind und so manche Investition nachgeholt wurde, führte zu dem Aufschwung. Auch trug laut dem IMK in einem »erheblichen Umfang« die »entschlossene Krisenpolitik« dazu bei, dass Schlimmeres verhindert wurde. So führten die Kurzarbeiterregeln dazu, dass die Arbeitslosigkeit nicht über die Drei-Millionen-Marke stieg, und die Mehrwertsteuersenkung kurbelte den Konsum an.

Doch es ist für das IMK noch zu früh für Entwarnung. Auch wenn die Wirtschaft nächstes Jahr um 4,9 Prozent wächst, wie das IMK glaubt, wäre das Vorkrisenniveau erst Ende 2021 wieder erreicht. Und bei ihrer Prognose machen Dullien und Co. einige Einschränkungen: So gehen sie in ihren Modellrechnungen von keinem zweiten flächendeckenden Lockdown aus. Auch dass es nach der US-Präsidentschaftswahl zu einem Streit über den Sieg kommen könnte, berücksichtigen sie nicht. »Das alles kann anders kommen und würde auch das Wachstum belasten«, räumte Dullien ein. Das IMK rät der Politik deswegen, nicht zu schnell wieder in den Sparmodus zu schalten, sondern aufgrund der weit verbreiteten Unsicherheit bereits zum jetzigen Zeitpunkt weitere Maßnahmen zu planen, »mit denen sie gegebenenfalls zügig nachfragesteigend wirken kann«.

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