Côte d'Ivoire wählt in aufgeheizter Atmosphäre

Präsident Alassane Ouattaras umstrittene dritte Kandidatur bringt die Opposition auf die Barrikaden

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist ein aufgeheizter Wahlkampf in der Côte d’Ivoire: Der ehemalige Premier Pascal Affi N’Guessan hatte seine Kandidatur für die Präsidentschaft aus Protest bereits zurückgezogen, als der Wahlkampf in der Côte d’Ivoire am 15. Oktober offiziell begann. Abgefackelt wurde sein Haus trotzdem gleich zu Beginn der heißen Wahlkampfphase, der schon seit Monaten Scharmützel der rivalisierenden Milizen vorausgingen - mit mehreren Toten. Wer hinter dem Angriff auf die Residenz von Pascal Affi N’Guessan in seiner Hochburg Bongouanou stand, ist noch unklar.

Der Wahlkampf auf den Straßen ist aufgeheizt, obwohl der Sieger bereits feststeht: Alassane Ouattara von der RHDP, die das Land unter Staatsgründer Félix Houphouët-Boigny nach der Unabhängigkeit 1960 lange Zeit diktatorisch regierte. Ouattara ist seit 2010 im Amt. Ursprünglich hatte er seinen Rücktritt angekündigt, doch nachdem sein Wunschnachfolger, Premier Amadou Gon Coulibaly, im Juli einem Herzinfarkt erlag, verkündete der 78-jährige Ouattara nach vierwöchiger Bedenkzeit am 6. August: »Aufgrund dieser höheren Umstände und aus einer Motivation der bürgerlichen Pflichterfüllung heraus habe ich mich entschieden, den vielen Anfragen und Bitten meiner Mitbürger, noch einmal als Präsidentschaftskandidat zur Verfügung zu stehen, zu entsprechen. Ich werde also für das Präsidentenamt am 31. Oktober 2020 kandidieren.«

Das Problem: Die Verfassung sieht nur zwei Amtszeiten vor, Ouattara kandidiert aber zum dritten Mal. Ouattaras Argumentation, der das ihm gewogene Verfassungsgericht folgte: Die Verfassung sei erst seit 2016 in Kraft und damit zähle nur die seit 2015 währende zweite Amtszeit, nicht aber die erste.

Bei der Opposition stieß Ouattaras Kehrtwende auf entschiedene Ablehnung. Das sei »illegal«, erklärte der 86-jährige Kandidat der Oppositionspartei PDCI, Henri Konan Bédié, der zwischen 1993 und 1999 bereits Präsident war und Ouattara 2010 in der Stichwahl gegen Laurent Gbagbo unterstützte. Jetzt macht er mit Gbagbos Ivoirischer Volksfront (FPI) gemeinsame Sache, deren Spitzenkandidat Pascal Affi N’Guessan ist. Doch sowohl Bédié als auch N’Guessan haben sich inzwischen von der Wahl zurückgezogen und riefen ihre Anhänger dazu auf, »aktiven Boykott« zu üben und die Wahl zu verhindern.

Die Wahlen stehen unter schlechten Vorzeichen. Bereits vor dem Rückzug der beiden einzigen gewichtigen Herausforderer hatte die Justiz 40 der 44 eingereichten Kandidaturen abgelehnt, darunter jene von Ex-Präsident Laurent Gbagbo und jene von Ex-Ministerpräsident Guillaume Soro, der einst als Premier Ouattara diente. Gbagbo und Ouattara standen sich 2010 bei der Stichwahl für das höchste Amt gegenüber, nach der es zu Unruhen mit mehr als 3000 Toten kam. Erst nach einer französischen Militärintervention ließ Gbagbo im April 2011 von der Macht ab, sowohl Gbagbo als auch Ouattara hatten sich 2010 zum Staatschef erklärt. Gbagbo musste sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verantworten. Seinen Prozess hat er 2019 in erster Instanz gewonnen, weil ihm keine klare Verantwortung für Gräueltaten nachgewiesen werden konnte.

In der Vorwahlphase kam es wieder in mehreren Städten zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern Ouattaras und Gbagbos FPI, wobei bewaffnete Milizionäre unterschiedlicher Volksgruppen ihr Unwesen treiben. Die Befürchtung, dass die Wahl den Konflikt im Land neu entfachen könnte, wie nach den Wahlen 2000 und 2010, ist nicht unbegründet. N’Guessan abgebranntes Haus ist ein Warnzeichen.

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