Aufstieg ohne Ablenkungen

Die Volleyballerinnen des SC Potsdam eilen von Sieg zu Sieg. Ausgerechnet die Pandemie hat das Team zusammengeschweißt

Sportdirektor Toni Rieger »schmerzt es sehr«. Seine Spielerin Vanessa Agbortabi findet es »sehr schade«, und für Teammanager Eugen Benzel ist es einfach nur noch »sehr frustrierend«. Die Volleyballerinnen des SC Potsdam spielen gerade so gut wie nie zuvor, »doch wir können es mit niemandem teilen«, klagt Benzel, denn im Corona-Lockdown darf derzeit kein Fan in die Halle. Nicht einmal im Europapokal. Erst zum zweiten Mal haben sich die Brandenburgerinnen überhaupt für den CEV-Cup qualifiziert, doch beim 3:0-Erstrundenerfolg gegen Hapoel Kfar Saba ist die Arena am Luftschiffhafen leer. Dabei hätte das sportliche Niveau viel Applaus verdient.

»Kurz vor der Pandemie hatten wir die besten Zuschauerzahlen, weil wir erfolgreich gespielt haben. Jetzt können wir davon nicht mehr profitieren«, sagt Sportdirektor Rieger. Tatsächlich wird sein Team sogar immer stärker. Die Bundesliga-Hauptrunde der vergangenen Saison schloss Potsdam noch auf Rang drei ab, in der neuen steht der SC punktgleich mit Favorit Stuttgart sogar an der Spitze. Zudem gelang im Pokal jüngst der sensationelle Finaleinzug durch ein 3:1 bei den Schwäbinnen. »Uns war klar, dass wir eine Chance hatten. Stuttgart hat eine sehr gute Mannschaft, aber auch bei der muss alles stimmen, um uns zu schlagen«, so Rieger.

Den steten Aufstieg macht er am inneren Zusammenhalt und dem Trainerteam rund um Chefcoach Guillermo Hernandez fest: »Gerade in dieser schwierigen Zeit ziehen alle an einem Strang. Es kann sich ja auch keiner mit irgendetwas ablenken. Im Moment geht es nur um den Sport. Zudem harmonieren die Trainer absolut. Und das übertragen sie aufs Team.«

Das ist auch am Mittwochabend gegen Kfar Saba zu sehen. Die Israelis sind in jedem Satz (25:14, 25:12, 25:14) chancenlos. »Das war eine klare Angelegenheit. Wir mussten trotzdem darauf achten, auf unserem Level zu bleiben. Das haben wir souverän durchgezogen«, freut sich Außenangreiferin Agbortabi danach. Die 21-jährige Jungnationalspielerin bekam wie einige andere Talente viel Spielzeit, als Trainer Hernandez früh erkannte, dass die israelischen Gegnerinnen nicht mithalten konnten. »Es ist immer cool, zu spielen, im Europapokal ist es aber noch mal besonders. Ein tolles Erlebnis«, strahlt Agbortabi.

Das Potsdamer Stammteam wird derzeit noch von starken Spielerinnen aus den USA, Kanada und Brasilien bestimmt. Dass man diese ins noch titellose Potsdam locken konnte, ist Rieger und Hernandez zu verdanken. »Unser Trainer, der zu seinen Zeiten in Stuttgart mit vielen Amerikanerinnen Titel holte, überzeugt einfach. Er kennt den Markt und hat Kontakte. Außerdem stimmt bei uns der Wohlfühlfaktor. Noch habe ich keine Spielerin erlebt, die sich nach ihrer Zeit in Potsdam beschwert hat«, berichtet Rieger.

Finanziell kann der SC Potsdam mit Stuttgart und Schwerin noch nicht mithalten. Große Sponsoren stehen nicht gerade Schlange. Also veranstaltet der Verein Feste und Konzerte, um Geld einzunehmen und davon Kleinbusse und gute Spielerinnen zu bezahlen. Dennoch will Potsdam in dieser Saison angreifen. »Das Pokalfinale war schon immer unser Ziel. Und wenn wir schon mal da sind, wollen wir gewinnen«, sagt Rieger. In der Bundesliga wolle man in den Playoffs auch oben mitspielen, sollten die am Ende der Saison denn ausgespielt werden können.

Es wäre fast tragisch, wenn auch dann keine Fans mitjubeln dürften. »Die Zuschauer machen immer viel aus«, bestätigt Agbortabi. Aber die Gesundheit gehe derzeit vor. »Hoffen wir, dass sich alles schnell bessert.«

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