Studieren mit langsamem Internet und veraltetem Laptop

Universität Potsdam erlebt beim digitalen Lernen einen Modernisierungsschub, doch junge Leute aus armen Familien müssen mithalten

Seit vier Wochen läuft an der Universität Potsdam das Hybridsemester. Das heißt, dass die meisten Lehrveranstaltungen wegen der Corona-Pandemie per Videokonferenz abgehalten werden, die Studierenden aber auch mit Maske zu einigen Vorlesungen und Seminaren in die Hörsäle und Seminarräume kommen. Bei Einhaltung der Abstandsregel von 1,50 Metern reiche die Raumkapazität dafür aus, 25 Prozent der Vorlesungen und Seminare als Präsenzveranstaltungen abzuhalten, erläuterte Universitätspräsident Oliver Günther am Montag bei einer ersten Bilanz des Wintersemesters 2020/21 unter den Bedingungen der Coronakrise. Bis jetzt musste nichts ausfallen, ergänzte Britta van Kempen. Sie ist persönliche Referentin des für Lehre und Studium zuständigen Vizepräsidenten Andreas Musil.

Die Universitäten im benachbarten Berlin erreichen nicht so eine hohe Quote von Präsenzveranstaltungen. Das müsse aber jede Hochschule nach den Bedingungen vor Ort für sich entscheiden, meinte Oliver Günther. »Unsere jetzige Strategie scheint uns nicht waghalsig, sondern sachgerecht«, betonte er. »Wir schaffen das, ohne Studierende und Mitarbeiter zu gefährden.« Es gebe auch andere deutsche Universitäten, die mehr Präsenzveranstaltungen durchführen. Nach den derzeit geltenden Richtlinien zur Eindämmung der Corona-Pandemie sei die Vorgehensweise der Universität Potsdam erlaubt. Sollte das Land Brandenburg einen totalen Lockdown anordnen, müsste die Hochschule neu überlegen. Er sei aber zuversichtlich, dass weiter wie jetzt verfahren werden dürfe, sagte Günther. Die Universität habe bereitgestellte Fördermittel zur Digitalisierung komplett investiert, um beispielsweise Geräte zu kaufen und Lizenzen für die Software zu erwerben, die für Videokonferenzen erforderlich sei.

Das ist schön und gut. Doch manchmal klemmt es auf der anderen Seite, wenn der Studierende in einem abgelegenen brandenburgischen Dorf wohnt und die Internetverbindung bei der Online-Vorlesung zusammenbricht - zumal wenn jüngere Geschwister gleichzeitig Schulunterricht per Internet haben. Auf dieses Problem machte Jonathan Wiegers aufmerksam. Er ist Sprecher der brandenburgischen Studierendenvertretung und weiß von sozialen Problemen der Kommilitonen, die nicht aus einem privilegierten Elternhaus stammen. »Der alte Laptop von vor zehn Jahren, der noch genügt, um eine Hausarbeit zu schreiben, taugt nicht mehr für eine Videokonferenz«, beschrieb Wiegers einen möglichen Fall. Wenn dann Vater und Mutter nicht das Geld haben, einen neuen Laptop anzuschaffen, wird es eng. Zumal die Studierenden selbst ebenfalls knapp bei Kasse sind, wenn ihre Aushilfsjobs in der Gastronomie und in der Veranstaltungsbranche wegen des Lockdowns gekündigt sind.

Und nur noch elf Prozent der Studierenden erhalten Bafög, erinnert Wiegers. Die von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) bereitgestellten Überbrückungshilfen reichten nicht aus. Karliczek habe die Lage der Studierenden wohl nicht begriffen, sagte Wiegers. Er nannte die Ministerin eine »Fehlbesetzung« und riet, sich das für die Bundestagswahl im kommenden Jahr zu merken. Der Studierendenvertreter würde sich freuen, wenn Brandenburgs Wissenschaftsministerin Manja Schüle (SPD) die Situation mit einer Nothilfe des Landes abfedert, aber eigentlich sei dies Aufgabe des Bundes. Das Bafög müsste dringend reformiert werden. Mit dieser Ansicht steht Wiegers nicht allein. Sie wird von Universitätspräsident Günther und vielen anderen geteilt.

Mit mehr als 22 000 Studierenden sind an der Universität Potsdam jetzt so viele junge Leute eingeschrieben wie nie zuvor - und dies trotz Hybridsemester. 30 Prozent von ihnen kommen aus Potsdam und Umgebung, 13 Prozent aus Berlin. Die Quote der ausländischen Studierenden ist nur ganz leicht auf 13,5 Prozent gesunken. Darauf ist die Hochschule stolz, da zum Beispiel US-amerikanische Universitäten durch die Corona- Pandemie einen Einbruch bei der Zahl der ausländischen Studierenden erlebt haben. Das ist in Potsdam anders. Dennoch läuft es hier nicht völlig reibungslos. Die brandenburgische Studierendenvertretung hörte von ausländischen Kommilitonen, die Schwierigkeiten hatten, ein Visum zu erhalten. Auch sollten sie nach der Ankunft in Deutschland für 14 Tage in Quarantäne, durften dazu aber nicht ins Wohnheim einziehen.

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