nd-aktuell.de / 12.10.2009 / Politik / Seite 6

Union und FDP streiten um Innere Sicherheit

In kaum einem Bereich sind die Positionen der schwarz-gelben Koalitionäre so gegensätzlich wie beim Thema Bürgerrechte

Die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und FDP über die Innen- und Rechtspolitik kommen nur langsam voran. Bei den besonders strittigen Themen Vorratsdatenspeicherung und Online-Durchsuchung von Computern ist noch kein tragfähiger

Kompromiss in Sicht.

Berlin (dpa/ND) Bei den schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen in Berlin muss sich vor allem die Arbeitsgruppe Innere Sicherheit/Justiz mit umfangreichen und konfliktträchtigen Themen auseinandersetzen. Während die Liberalen die Bürgerrechte stärken und die Freiheit der Bürger wahren wollen, setzt die Union auf Überwachung der Bürger und Einschränkung der Bürgerrechte, um Kriminalität und Terrorismus zu bekämpfen. In der ersten Verhandlungswoche wurden vor allem die Positionen ausgetauscht und über Randthemen gesprochen – in der nun anstehenden zweiten Woche soll es ans Eingemachte gehen.

In der Vergangenheit haben Union und FDP in der Diskussion um Sicherheitsthemen viel Porzellan zerschlagen. Nun sitzen sie zusammen am Verhandlungstisch, darunter Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und die ehemalige und vielleicht künftige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sowie andere alte Mitstreiter aus der Innen- und Rechtspolitik. Viele waren zum Auftakt bemüht, die Dramatik aus dem Thema zu nehmen: »Hier gehen keine Bataillone aufeinander zu, sondern Männer und Frauen, die sich kennen und die wissen um die Bedeutung der (ihrer) Arbeit«, sagte Hessens Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP).

Kaum Fortschritte gibt es aber bislang bei den großen strittigen Themen wie der heimlichen Online-Durchsuchung von Computern und der Vorratsdatenspeicherung von Telefon- und Internetverbindungen. Die Maßnahmen gehören zu den vielen Sicherheitsgesetzen, die zunächst unter Rot-Grün, dann unter der großen Koalition erlassen wurden. Für die Union sind diese Gesetze im Kern unantastbar. Die FDP betont jedoch, dass hier noch lange nicht das letzte Wort gesprochen ist.

Beim sensiblen Thema Internetsperren sind sich Union und FDP zumindest darüber einig, dass Kinderpornografie im Netz bekämpft werden muss. Ob die von Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) verfolgte Sperrung kinderpornografischer Internet-Seiten dazu jedoch der richtige Weg ist, bleibt unter den Verhandlungspartnern umstritten. »Das Ziel ist klar, der Weg ist unklar«, sagte ein Unions-Vertreter.

Näher beieinander liegen Union und FDP offenbar bereits beim Thema Sicherungsverwahrung, also der Anordnung, dass ein Täter wegen seiner Gefährlichkeit auch nach dem Verbüßen der Haftstrafe im staatlichen Gewahrsam bleibt. Hier pocht die FDP auf eine Harmonisierung der bestehenden Gesetze. Auch die Union will die Unübersichtlichkeit auf diesem Gebiet beenden.

Offen zeigt sich die Union in der Diskussion um eine Verlängerung der Bleiberechtsregelung für Ausländer. Unter der großen Koalition erhielten mehrere zehntausend bis dahin geduldete Ausländer unter bestimmten Bedingungen einen gefestigten Aufenthaltstitel. Voraussetzung für eine Verlängerung über 2009 hinaus ist vor allem eine Arbeitsstelle, die aber schwer zu bekommen ist. Vielen droht daher zum Jahresbeginn 2010 der Rückfall in die Duldung und somit die Abschiebung. Daher soll nun eine Anschlussregelung gefunden werden. Die Union erwartet aber im Gegenzug, dass die FDP bei Maßnahmen für einen besseren Schutz vor illegaler Einwanderung mitzieht, möglicherweise bei der Einrichtung einer sogenannten Visa-Warndatei.

Insgesamt hat die Arbeitsgruppe mehr als 50 Themenkomplexe zu bewältigen. Die Gruppe will bei ihren nächsten Sitzungen an diesem Dienstag, Mittwoch und Donnerstag Nägel mit Köpfen machen machen und möglichst wenig Themen ungeklärt lassen. Für die Liberalen ist dieser Zeitplan jedoch nicht in Stein gemeißelt – notfalls müsse man auch darüber hinaus weiterverhandeln, hieß es. Dass Union und Liberale auch bei den heiklen Sicherheitsthemen durchaus zueinander finden können, zeigen die schwarz-gelben Regierungen in Hessen und Bayern. So tragen die Liberalen in Bayern die im dortigen Polizeigesetz verankerte Online-Durchsuchung mit – sie rangen der CSU allerdings Einschränkungen ab.