Flüchtlinge plagt die Ungewissheit

Die Innenminister der Länder entscheiden in Bremen auch über die Altfallregelung

  • Anke Engelmann, Erfurt
  • Lesedauer: 2 Min.
30 000 Flüchtlinge mit Probe-Aufenthaltserlaubnis erwarten den Beschluss der am Donnerstag beginnenden Innenministerkonferenz zur Altfallregelung mit Angst und Sorge. 2007 in Kraft getreten, sollte der Passus den sogenannten Geduldeten einen etwas sichereren Status verschaffen. Ein Schritt in die richtige Richtung meinen Flüchtlingsinitiativen – allerdings ein zu kleiner.

Auch wenn die Altfallregelung den Geduldeten zunächst einige Sicherheit brachte – derzeit ist ihre Situation wieder alles andere als klar. Die Regelung läuft Ende des Jahres aus und soll auf der Innenministerkonferenz (IMK) in Bremen diskutiert werden. Erwartet wird, dass sich die Innenminister auf eine Verlängerung einigen. Flüchtlingsinitiativen und Hilfsorganisationen würde das nicht weit genug gehen. Jetzt hat die Hochschulgruppe für Migrationsforschung der Universität Erfurt eine Studie veröffentlicht, in der sie neun Geduldete in Thüringen befragt hat. Ergebnisse daraus erläuterten gestern in Erfurt der Flüchtlingsrat Thüringen, die LIGA der freien Wohlfahrtspflege in Thüringen und das Institut für Berufsbildung und Sozialmanagement (IBS).

Das Hauptproblem: Bis Inkrafttreten der Altfallregelung im August 2007 durften die Flüchtlinge nicht arbeiten. Dann mussten sie von null auf hundert durchstarten, erläuterte Christiane Götze vom IBS, das Betroffene bei der Arbeitsaufnahme unterstützen will. Vielfältig sind die Probleme, mit denen die meist langzeitarbeitslosen Flüchtlinge zu kämpfen haben, berichtete Christine Rehklau vom Flüchtlingsrat. In der Isolation der Gemeinschaftsunterkünfte hatten sie kaum Kontakt zur deutschen Sprache, Sprachkurse wurden ihnen verwehrt. Zeugnisse und Qualifikationsnachweise werden oft nicht anerkannt oder sind auf der Flucht verloren gegangen. Die größte Hürde jedoch: Im Billiglohnland Thüringen mit seinen strukturschwachen Regionen müssen sie nicht nur einen Job finden, sondern von dem Geld ohne Zuschüsse leben, und zwar nach den Vorgaben des Hartz-IV-Regelsatzes plus Zuschläge (bis zu 30 Prozent) plus Miete. Auch wenn sie mit weniger auskommen würden – erfüllen sie dieses formale Kriterium nicht, hätten die Migranten Anspruch auf Arbeitslosengeld II, was anscheinend untragbar ist.

Immerhin brachte die Altfallregelung bereits eine erhebliche Verbesserung für Flüchtlinge, so die Studie. Die Residenzpflicht fiel weg und die Betroffenen – in Thüringen etwa 400 Personen – konnten sich selbst eine Wohnung suchen und hatten Zugang zum Arbeitsmarkt. Doch das reicht nicht. Alle Befragten jobben im Niedriglohnbereich und erfüllen damit nicht die Anspruchsvoraussetzungen. Ihnen droht der Rückfall in den Geduldeten-Status, im schlimmsten Fall die Abschiebung. Die Initiativen fordern deshalb eine Änderung der Rahmenbedingungen. So müsse der Situation auf dem Arbeitsmarkt Rechnung getragen und zudem berücksichtigt werden, dass Alleinerziehende, Eltern in kinderreichen Familien oder traumatisierte Personen nicht 40 oder mehr Stunden pro Woche arbeiten können. Zudem haben sie den Thüringer Innenminister Peter Huber (CDU) aufgefordert, sich in Bremen für die Verlängerung der Altfallregelung einzusetzen, damit Zeit gewonnen werden kann, das Gesetz zu überarbeiten.

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