- Sport
- Berlins Landessportbund engagierte sich mit Erfolg für die ABM-Leute / Rettung für zwei Drittel ist definitiv
Aber die Säge klemmt bei den Vereinen noch woanders
Mit einiger Erleichterung geht Berlins Landessportbund-Direktor Norbert Skowronek ins neue Jahr - und mit ihm etwa zwei Drittel der im Ostberliner Sport Tätigen. Sie standen als ABM-Leute eigentlich auf der Abschußliste und bleiben nun zumindest für ein weiteres Jahr - und mancher darüberhinaus - vom „freien Fall“ ins Nichts verschont.
Die Berliner Sportbehörde war schon im Herbst mit einem Modell an die Öffentlichkeit getreten, das Rettung für einen Teil der 514 ABM-Stellen verhieß und zu verhindern suchte, daß „im Ostteil der Stadt durch das jetzige Auslaufen von ABM all das wegbricht, was in den vergangenen zwei Jahren mühsam aufgebaut wurde“, so Skowronek. Nicht nur, daß für 85 der 514 ABM-Stellen frühestens im nächsten Herbst die Verträge auslaufen.
Auch 80 Landestrainer können nun ihre Arbeit im Nachwuchsspitzensport fortführen - mit der Besonderheit, die es in den heuen Bundesländern nicht gibt: Sie erhalten nämlich im Januar Verträge gleich über zwei Jahre. „Wir haben
als Landessportbund bewußt ein Risiko auf unsere eigene Kappe genommen, denn es stehen zunächst nur die Finanzmittel für 1993 bereit. Aber nach unserer Auffassung ist es den Trainern nicht zuzumuten, daß sie nach einem Jahr nicht wissen, wie es weitergehen wird. Das fördert nur die Gefahr, daß sie irgendwann abwandern.“
Wenn die Sache schief geht und sich der Senat für 1994 finanziell doch sperren sollte, „müssen wir als LSB sehen, wie wir durch noch schärfere Sparzwänge die Gelder herauswirtschaften, um nicht vertragsbrüchig zu werden“. Hinter dieser Berliner Gangart steckt der „mittelfristige Plan“, mit den Landestrainern - entsprechend dem Olympia-Rhythmus - möglichst generell Vierjahresverträge abzuschließen. Hinsichtlich der Sportarten wurden Prioritäten je nach Leistungsstärke Besetzt. Dabei stehen Eisunst- und Eisschnellauf, Eishockey sowie Leichtathletik, Schwimmen, Kanu, Rudern, Turnen und Radsport obenan.
Definitiv ist auch eine Rettung für den Kinder- und Ju-
gendsport m den Vereinen: Mit dem Berliner Senat ist fest vereinbart worden, daß ab 1. Januar 90 hauptamtliche Ju-
fendtrainer eingesetzt werden önnen. 3,5 Millionen Mark stehen dafür zur Verfügung. Im Klartext bedeutet das: Für jeden Jugendtrainer mit einem 20stündigen Trainingspensum pro Woche wurde ein Jahresetat von 40 000 Mark kalkuliert. „Dies dürfte auch materiell ein Anreiz sein“, meint der LSB-Direktor.
Inzwischen wurden mit 98 ausschließlich Ostberliner Vereinen, in denen nachweisbar der Nachwuchssport floriert und in einer Jugendabteilung 50 und mehr Mitglieder erlaßt sind, Kontakte gesucht und Bewerber aus dem ABM-Kreis gesiebt, um die Stellen fachlich gut zu besetzen.
Dabei wurden auch „Spielregeln“ ins Auge gefaßt, die zwangsläufig auf der Hand liegen: Ein Jugendtrainer beispielsweise betreut den talentierten Nachwuchs in einer Sportart aus drei, vier Vereinen. Oder eine Halbierung der Finanzmittel (20 000 pro Jahr für einen Trainer), so daß reiri
rechnerisch 190 Nachwuchstrainer finanzierbar wären.
Schließlich wird der LSB mit Jahresbeginn auch sechs Vereinsberater in seinem Domizil im „Haus des Sports“ am Olympiastadion anstellen. Sie ersetzen freilich nicht die ehrenamtlichen Sportarbeitsgemeinschaften in den Ostberliner Bezirken und auch nicht die bewährten LSB-Beratungsrunden für die Vereine (nächster Termin: 28, Januar bei der SG Empor Brandenburger Tor 1952), sondern sie sollen den Ost-Vereinen noch direkter zur Hand gehen, ihnen in den komplizierten Satzungsfragen, bei den Pachtund Nutzungsverträgen für die Sportstätten mit den Kommunen zur Seite stehen.
„Hier klemmt die Säge bei den Vereinen am meisten“, spricht Skowronek aus Erfahrung. „Rund 200 Vereine stehen juristisch einigermaßen auf den Beinen. Bei rund 80 Vereinen fehlt jegliche Rückkopplung, so daß wir nicht einmal sagen können, ob sie überhaupt existent sind. Wir aber wollen Hilfe durch Selbsthilfe organisieren, gera-
de im Dickicht der Sportanlagen-Problematik. “
In Berlin sind rund 200 Anträge von den Kommunen an die Treuhand gestellt worden, aber tatsächlich erst über 13 eine rechtsverbindliche Entscheidung und Vereinbarung getroffen wurde. „Dramatisch ist aus Sicht des LSB die Lage in Köpenick, wo das Bezirksamt die Sache verschleppt, Verträge mit den Vereinen nicht unterschrieben werden und der Verdacht aufkommen muß, daß vornehmlich die lukrativen Grundstücke der Wassersportvereine anderweitig verscherbelt werden sollen.“
Daß bei den Finanzierungsgebaren des Berliner Sports natürlich die Olympiakandidatur Pate steht und von der Senats-Überlegung partizipiert wird, sich nicht durch ein „Blockade in der Sportförderung“ öffentlich blamieren zu wollen, ist freilich ein hauptstädtischer Vorzug, den die nach wie vor am Finanztropf hängenden neuen Bundesländer nicht für sich reklamieren können.
JÜRGEN HOLZ
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