Unmenschliche Familientrennung

Bayerischer Flüchtlingsrat kritisiert BAMF und Ansbacher Landrat

  • Johannes Hartl
  • Lesedauer: 3 Min.
Im März sorgte eine Abschiebung in Ansbach, bei der eine Familie getrennt worden ist, bayernweit für heftige Empörung und Kritik. Der Bayerische Flüchtlingsrat spricht von einer »unmenschlichen Familientrennung« und fordert von den Behörden, die sofortige Rückkehr für den Vater und die drei Kinder von Polen nach Deutschland zu ermöglichen.

Es war ein Donnerstag im März dieses Jahres, als im bayerischen Ansbach eine siebenköpfige Familie einfach auseinandergerissen wurde. Die Familie - bestehend aus Vater, Mutter und fünf Kindern - war im August 2012 von Tschetschenien über Polen nach Deutschland geflohen, um hier Asyl zu beantragen.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) folgte jedoch dem »Dublin-II-Abkommen« und befand die polnischen Behörden für die Bearbeitung des Asylantrags für zuständig. Deshalb verfügte das BAMF für den 14. Januar eine Abschiebung der Familie nach Polen. Daraufhin erlitt die bereits schwer traumatisierte und aktuell im fünften Monat einer Risiko-Schwangerschaft befindliche Mutter einen psychischen Zusammenbruch, wie Tobias Klaus vom Bayerischen Flüchtlingsrat dem »nd« schildert. Die Frau wurde demnach zur Behandlung in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.

Bereits drei Tage später kam es seitens der Behörden aber zu einem neuerlichen Versuch, die Familie abzuschieben. Nur, weil sich die Mutter nach wie vor in stationärer Behandlung befand und nicht aus der Klinik entlassen worden ist, scheiterte auch diese Abschiebung.

Am Vorabend des kurz darauf neu angesetzten Abschiebetermins am 14. März erlitt die Mutter wieder einen »psychisch bedingten Schwächeanfall, stürzte eine Treppe hinunter und wurde erneut in einer psychiatrischen Klinik untergebracht«, berichtet Klaus. Doch diesmal ließen die Behörden nicht von ihrem Vorhaben ab und schoben statt der ganzen Familie nur den Vater und drei der fünf Kinder im Alter von sieben, elf und zwölf Jahren nach Polen ab.

Während sich der Vater und die drei Kindern nun in einem polnischen Flüchtlingslager de facto in Haft befinden, ist die Mutter weiterhin in medizinischer Behandlung. Die zwei jüngsten Kinder der Familie im Alter von ein und zwei Jahren, die aufgrund des Klinikaufenthalts der Mutter zuvor bei Freunden untergebracht waren, sind jetzt bei einer Pflegefamilie im Raum Ansbach. Tobias Klaus: »Die Frau ist fix und fertig mit den Nerven, was wegen der Risiko-Schwangerschaft sehr problematisch ist.« Zudem sei die Mutter, die schon mehrere Selbstmordversuche hinter sich hat, derzeit suizidgefährdet.

Der Bayerische Flüchtlingsrat übt nun heftige Kritik am Landratsamt Ansbach und sieht durch die Abschiebung den grundgesetzlichen Schutz von Ehe und Familie verletzt. Die Argumentation des Landrats, der nur seine Pflicht erfüllt haben will, sei daher nicht hinnehmbar. »Auch das Landratsamt ist an das Grundgesetz gebunden - selbst wenn sie das nicht wahrhaben wollen«, sagt Klaus. Das Verhalten des Landrats sei »unwürdig und zutiefst menschenverachtend«. In der Zwischenzeit hat sich auch der Bayerische Landtag nach einer Petition mit dem Fall befasst und die Familientrennung fraktionsübergreifend verurteilt.

Die Familie selbst ist unterdessen weiter getrennt. Bislang verneint das BAMF einen »Härtefall« und verweigert das »Selbsteintrittsrecht« von Flüchtlingen, das eine Rückkehr erlauben würde. Für den Bayerischen Flüchtlingsrat, der eine umgehende Rückkehr der Familie fordert, ist dies unbegreiflich: »Es ist schon absurd, dass Suizidalität und die Gefahr einer Fehlgeburt für das BAMF keine besondere Härte darstellen«, sagt Tobias Klaus empört.


»Ein wenig Sterben«

Der katholische Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann hat mehr Gespür für die Sorgen und Nöte von Flüchtlingen und Migranten angemahnt. »Jedes einzelne dieser Menschenschicksale ist voller Not und voller Anfragen«, sagte Hofmann in dieser Woche in Würzburg bei einem Gottesdienst »Das Aufgeben der Familie, des Berufes und der Heimat bedeutet immer ein wenig Sterben«, betonte der Oberhirte. (dpa/nd)

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