Transparenz ist das Ziel

  • Detlev von Larcher
  • Lesedauer: 3 Min.

Nun sorgt Uli Hoeneß für eine große öffentliche Debatte über Steuerflucht und Steuergerechtigkeit. Der Bundestag hatte am Mittwoch eine Aktuelle Stunde, sogar die Regierungschefs in Europa wollen sich bei ihrem nächsten Treffen mit dem Kampf gegen Steuerhinterziehung befassen. Für einen wie mich, der vor elf Jahren das Internationale Netzwerk für Steuergerechtigkeit (Tax Justice Network, TJN) beim Europäischen Sozialforum in Florenz mitgegründet hat, sollte das Grund zur Freude sein. Alle Medien sind voll von »meinem« Thema. Endlich!

Aber meine Freude wird gebremst. Zu oft haben wir erlebt, dass es ein kurzes Aufflackern der Debatte gab, z.B. im Falle des ehemaligen Post-Chefs Zumwinkel. Oder beim ersten Ankauf einer Steuer-CD, wo mehr über die Berechtigung des Kaufs als über die Herstellung von Steuergerechtigkeit gestritten wurde. Und schon lese ich auf unsere Forderung nach automatischem Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden und Kontrollmitteilungen der Banken an die Finanzämter von einem klugen Professor im »Weserkurier«, da befände sich die Gesellschaft möglicherweise in einem Spannungsfeld zwischen Datenschutz und Steuergerechtigkeit und es gelte, diese zwei sehr wertvollen Werte genau abzuwägen.

Komisch: wieso fällt dem Professor das bei Kapitaleinkünften ein, aber nicht bei den Einkünften der Arbeitnehmer? Drehen wir doch versuchsweise die Forderung einfach um: Weg mit der Abführung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber! Er überweise dem Arbeitnehmer den Bruttolohn. Dem Finanzamt bleibt alles verborgen und dem Arbeitnehmer überlassen, über die Höhe seiner Steuern selbst zu befinden. Das Bankgeheimnis und das aus Datenschutzgründen für das Finanzamt bestehende Verbot, Lohn und Gehaltslisten zu überprüfen, verhindern die Transparenz bei Lohn und Gehalt!

Wir merken schon: Steuergerechtigkeit auf diese Weise herzustellen, wäre absurd. Der Staat wäre sofort pleite. Die oberen Zehntausend würden sich ihre private Infrastruktur bezahlen, die unteren Millionen blieben auf der Strecke.

Also, warum liegen Lohn und Gehalt für das Finanzamt offen da, nicht aber Unternehmens- und Kapitaleinkünfte? Wer sich gegen vollständige Transparenz ausspricht, ist dafür, dass Kapital und Einkünfte vor dem Finanzamt zu verstecken, macht sich zum Freund von Steuerhinterziehern und Geldwäschern, im Übrigen auch ungewollt zum Freund von Frauenhändlern und der Drogenmafia. Darum: mehr Steuerfahnder, Betriebsprüfer und Transparenz!

Attac meldete sich vor fast zwölf Jahren mit einer schwimmenden Steueroase auf der Alster zum ersten Mal in der Öffentlichkeit. Seither hat sich wenig getan. In der EU gibt es eine Zinsrichtlinie, die der Besteuerung von Zinsen dienen soll, aber vollkommen löcherig ist. Die USA haben sich gegenüber der Schweiz und Liechtenstein durchgesetzt. Das Bankgeheimnis schützt US-Bürger nicht mehr vor dem Finanzamt. Gleichzeitig ist aber der amerikanische Bundesstaat Delaware auf Platz 1 der Liste der Schattenfinanzplätze des TJN, Deutschland auf Platz 9. Finanzminister Schäuble freut sich über die Debatte, bremst aber gleichzeitig in den Verhandlungen über die Neufassung der Geldwäscherichtlinie. Dass das Amnestieabkommen mit der Schweiz im Bundesrat nicht durchkam, bedauert er. Warum können sich immer noch 1,5 Billionen Euro aus dem Ausland auf deutschen Bankkonten verstecken? Wirtschaftliche Eigentümer von Vermögen müssen überall, auch bei uns, offengelegt werden. Und Unternehmen muss es unmöglich gemacht werden, Gewinne in Niedrigsteuerländer zu verschieben. Wenn Schäuble hier und in Verhandlungen in Europa nicht handelt, sind seine starken Worte nichts als Heuchelei.

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