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Steuer statt Eintritt für den Park Sanssouci

Potsdams Oberbürgermeister präsentiert Satzung für geplante Tourismusabgabe

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Umrisse der Tourismusabgabe für Potsdamer Unternehmen zeichnen sich ab. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) präsentierte gestern einen ersten Satzungsentwurf des komplizierten Berechnungsverfahrens.

Proteste nimmt er »sportlich«. Großflächige Zeitungsannoncen gegen die Tourismusabgabe müssen in den vergangenen Tagen rund 50 000 Euro gekostet haben, schätzte Jakobs. »Dieses Geld wäre besser in die touristische Infrastruktur geflossen statt in eine solche Kampagne.« Um die Infrastruktur zu verbessern, soll ab 1. Januar 2014 die Tourismusabgabe als Zusatzsteuer für prinzipiell alle Potsdamer Unternehmen fällig werden. Sie wird nach Aussage des Stadtoberhaupts zwei Millionen Euro jährlich einbringen. Die Hälfte der Summe soll für Vorhaben der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) ausgegeben werden.

Im Gegenzug müsse sich die SPSG noch vertraglich verpflichten, auf das Kassieren von Eintritt für die Potsdamer Schlossparks zu verzichten, erklärte Jakobs.

Durch das Eintreiben der Abgabe werde ein Aufwand von rund 250 000 Euro entstehen, so dass am Ende noch etwa 750 000 Euro in Fremdenverkehrsprojekte abseits der Schlossparks fließen können. Insgesamt gibt die Stadt dafür jährlich sowieso zehn Millionen Euro aus. Die neue Abgabe ist Jakobs zufolge angemessen »und verteilt sich gerecht und zumutbar auf die Schultern aller Beteiligten«. Der »Untergang der Tourismuswirtschaft«, wie von einigen an die Wand gemalt, ergebe sich daraus nicht. Mit Klagen rechne er in jedem Fall - »da wir ja in Potsdam sind«.

Die Stadtverwaltung habe sich gegen eine »Bettensteuer« nach Berliner Vorbild entschieden, weil der größte Teil der Gäste die über 18 Millionen Tagesbesucher sind. Mit der »nötigen Differenziertheit« sollten daher auch Gaststätten, Dienstleistungen, Gewerbe und Einzelhandel in dem Maße zur Tourismusabgabe beitragen, wie sie vom Fremdenverkehr profitieren.

Dabei ist unter anderem der jeweilige Standort des Unternehmens wichtig. Zur Berechnung der Abgabe wurde Potsdam in drei Zonen eingeteilt, von der touristischen Hauptzone mit Innenstadt, Parkumfeld, Glienicker Brücke und Uferbereichen bis zu jenen Stadtgebieten, in denen nur ein geringer unternehmerischer Bezug zum Tourismus nachweisbar ist. Ein Hotel im Zentrum habe daher andere Beiträge zu leisten als ein »Baumarkt in Satzkorn«, heißt es.

In die Berechnung der Tourismusabgabe gehen der Umsatz eines Unternehmens ein, der mögliche Anteil des Tourismus daran, und die erfahrungsgemäße Gewinnspanne.

Ein Bäcker in der touristischen Hauptzone müsste bei einem Jahresumsatz von 100 000 Euro eine Tourismusabgabe in Höhe von 168 Euro zahlen. Ein Restaurant mit einem solchen Umsatz 270 Euro, ein Ladengeschäft 120 Euro. Vom Filmpark in Babelsberg werde eine fünfstellige Summe erwartet, hieß es. Bagatellbeträge von weniger als zehn Euro sollen nicht eingetrieben werden.

Deutlich wurde bei der Präsentation, dass gewisse Ungerechtigkeiten nicht auszuschließen sind. Denn auch Potsdamer Firmen mit geringem Bezug zum Tourismus können Zahlungsaufforderungen erhalten - nicht jedoch jene auswärtigen Reisebüros, die viel Geld damit verdienen, Besucher nach Potsdam zu fahren. Während ein in Potsdam ansässiger Handwerker beitragspflichtig sein soll, muss ein Konkurrent aus dem Umland die Tourismusabgabe nicht entrichten.

Einbezogen in die Zahlungspflicht seien jene, die man eben »packen« könne, weil sie eine Betriebsstelle in Potsdam eröffnet haben, sagte der mit dem Abfassen der Satzung beauftragte Anwalt Richard Elmenhorst. Dies sei freilich ein »gewisses Ärgernis«, aber nicht zu ändern. Tatsächlich ausgenommen sind nur unmittelbare Produktionsbetriebe. Die Schlösserstiftung soll zwar Profiteur sein, in die Abgabepflicht ist sie aber ebenfalls einbezogen. Auch kommunale Unternehmen müssten zahlen, bestätigte der Oberbürgermeister. Weil diese natürlich Kosten auf die Bürger umlegen, ist letztlich jeder Einwohner der Stadt irgendwie am Entrichten der Steuer beteiligt.

Wenn die Stadtverordnetenversammlung tatsächlich im Juni die Satzung beschließt, hätte sie damit die letzte Chance genutzt, den umstrittenen Parkeintritt zu verhindern. Denn die Schlösserstiftung hat angekündigt, etwa für den Park Sanssouci Eintritt zu fordern, wenn nicht bis Anfang Juli ein zugesagter Beitrag der Stadt Potsdam für einen finanziellen Ausgleich sorgt.

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