Ab jetzt neun Monate Verhandlungen

Israelische und palästinensische Delegationen sollen hinter verschlossenen Türen eine Lösung finden

  • Oliver Eberhardt, Kairo
  • Lesedauer: 3 Min.
Israels Kabinett hat der Freilassung von 104 palästinensischen Gefangenen zugestimmt. Damit ist der Weg frei für eine neue Verhandlungsrunde. Sie sollte in der Nacht zum Dienstag in Washington beginnen, und insgesamt neun Monate dauern. Mit baldigen Ergebnissen ist nicht zu rechnen.

Mehr als fünf Stunden debattierten, stritten Israels Minister am Sonntag, während draußen lautstark Dutzende Personen gegen den Plan demonstrierten, 104 palästinensische Gefangene im Gegenzug für die Rückkehr an den nahöstlichen Verhandlungstisch freizulassen. Denn die, die von der kommenden Woche an schrittweise aus der Haft entlassen werden sollen, sind nicht irgendwer.

Auf der Liste stehen nahezu ausschließlich Palästinenser, einige davon mit israelischer Staatsbürgerschaft, die in den späten 80er und frühen 90er Jahren politisch motivierte Gewaltverbrechen verübt haben; 55 Zivilisten und 15 Soldaten waren dabei ums Leben gekommen. Aus juristischer Sicht ist die Freilassung mehr ein symbolischer Schritt: Auch wenn die Urteile oft Strafen wie x-mal lebenslänglich und y-mal hundert Jahre Haft beziffern, sind nach mindestens 25 Jahren regelmäßige Haftprüfungen vorgeschrieben, bei denen der Ermessensspielraum von Jahr zu Jahr geringer wird. Insgesamt konnte also ein Großteil der Häftlinge auf eine Freilassung in wenigen Jahren hoffen, zumal sich viele von ihnen bereits vor etlichen Jahren von der Gewalt losgesagt hatten.

Für Regierungschef Benjamin Netanjahu ist dieser Teil der Vereinbarung, die auf Druck von US-Außenminister John Kerry zustande kam, ein Zugeständnis mit Gütesiegel; eines, das dennoch die Gemüter innerhalb und außerhalb der Politik noch mehr erhitzt als der Gefangenenaustausch, durch den der jahrelang im Gaza-Streifen festgehaltene Soldat Gilad Schalit freikam. Denn für viele steht die Drastik der Taten in einem starken Kontrast zu den zu erwartenden Erfolgsaussichten der Verhandlungen mit der palästinensischen Führung in Ramallah, die Israel im Gegenzug bekommt. Sie sollten am Montagabend (MESZ) in Washington D. C. beginnen. Verhandlungsführer sind Israels Justizministerin Zippi Livni und der palästinensische Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Mohammad Schtajeh; das Tagesgeschäft werden Saeb Erekat (Palästina) und Jitzhak Molcho (Israel) als Unterhändler erledigen. Mit baldigen Ergebnissen ist nicht zu rechnen. Die Gespräche sollen zunächst neun Monate dauern und sich vor allem hinter verschlossenen Türen abspielen. Damit, so hoffen Kerry und sein Team, soll verhindert werden, dass beide Seiten versuchen, der jeweils anderen über Öffentlichkeit Druck zu machen. In der Vergangenheit hatte ein »Medienkrieg« immer zum Scheitern von Verhandlungen geführt.

Doch schon bevor das erste Wort gesprochen worden ist, sickert ein Strom an Details durch. So ist mittlerweile bekannt, dass im Laufe der ersten Wochen zunächst einmal nur über den genauen Ablauf der Verhandlungen diskutiert werden soll. Was, auch das ist mittlerweile klar, schwierig genug sein dürfte. Die Palästinenser gaben zu Protokoll, dass sie erst einmal über die Grenzen Palästinas sprechen wollen; die Israelis ließen daraufhin ausrichten, sie würden viel lieber über alles auf einmal sprechen.

Und dann: Falls Ergebnisse erzielt werden, ist unklar, ob sie auch umgesetzt werden können. In Palästina wird der Druck auf Präsident Mahmud Abbas immer stärker, endlich die versprochenen Wahlen durchzuführen.

In Israel beschloss das Kabinett außerdem, ein Referendum abhalten zu lassen, falls es zu einer Vereinbarung kommen sollte, die die Räumung von Land vorsieht, das sich in Israel selbst befindet, wozu hier auch Ost-Jerusalem zählt, nicht aber das Westjordanland. Israels Rechte hofft, so einen Deal blockieren zu können. Allerdings: Einer Umfrage der Universität Tel Aviv zufolge sind nur 21 Prozent gegen einen Abzug aus dem Westjordanland. 18 Prozent sind gegen einen Landtausch, aber für einen Abzug. Immerhin 52 Prozent sagten, dass sie für einen Landtausch im Gegenzug für Frieden sind.

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