Vergewaltigungsvorwurf ungeklärt

Bei Tat im Umfeld des Oranienplatz-Protestcamps war offenbar kein Flüchtling beteiligt

  • Malene Gürgen
  • Lesedauer: 3 Min.

In der Diskussion um eine mutmaßliche Vergewaltigung im Umfeld des Flüchtlingscamps am Oranienplatz in Kreuzberg versuchten die Bewohner des Camps und der besetzten Schule am Montag, mit einer Pressekonferenz Falschmeldungen entgegenzuwirken. Mehrere Zeitungen hatten in der letzten Woche von einer Vergewaltigung im Camp berichtet, dabei wurde ein »ausländischer Campbewohner« als Täter ausgemacht. Die Berichte bezogen sich auf einen Text, der bereits Ende Mai auf der linken Internetplattform »Indymedia« veröffentlicht wurde. Dort berichtet eine Frau anonym, dass sie von einem »Mann innerhalb der Campstruktur« vergewaltigt worden sei.

»Wir haben weder zu der Betroffenen noch zu dem Täter Kontakt«, sagt der Campbewohner Abraham, man wisse nicht mal, ob der Artikel echt sei. Sein Mitstreiter Turgay Ulu ergänzt: »Wenn wir von einem Täter wüssten, würden wir ihn sofort vom Camp werfen.« Einige Informationen gebe es aber dennoch über den Fall, sagt Jan, der seit Aufbau des Camps als Unterstützer dabei ist, zwar nicht von der betroffenen Person selbst, aber von einer Freundin, die eins der Camp-Plena besucht und dort über den Übergriff gesprochen habe. Von ihr stammen die Informationen, dass die Vergewaltigung weder im Camp noch in der besetzten Schule, sondern in einer Privatwohnung stattgefunden habe. Auch sei der Täter kein Flüchtling, sondern einer der deutschen Unterstützer gewesen - die Zeitungsberichte waren also falsch.

Forsa-Umfrage zu Flüchtlingen
Jeder fünfte Berliner würde sich laut einer Umfrage von einem Flüchtlingsheim in seiner Nachbarschaft gestört fühlen. Dies geht aus einer Forsa-Analyse im Auftrag der »Berliner Zeitung« hervor. Demnach gaben 21 Prozent der Befragten an, dass sie eine Unterkunft in der Nachbarschaft »stark« oder »sehr stark« stören würde, 65 Prozent sprachen sich hingegen dafür aus, dass Asylbewerber nicht in »Ghettos« am Stadtrand, sondern in Wohngebieten untergebracht werden sollten. Die Ablehnung den Asylbewerbern gegenüber ist laut der Studie im Osten und Westen der Hauptstadt nur leicht unterschiedlich. Während sich in Ost-Berlin 23 Prozent der Befragten von einem Flüchtlingsheim gestört fühlen würden, waren es im Westen der Stadt 19 Prozent. (epd)

»Wie überall in der Gesellschaft gibt es auch hier Sexismus und Gewalt, das wollen wir nicht verharmlosen«, sagt Jennifer, die als Flüchtlingsaktivistin den Frauenbereich in der besetzten Schule mit aufgebaut hat und selbst dort wohnt. Sie betont, dass es nicht darum ginge, den Täter zu schützen. Die Tatsache, dass ein Großteil der Medien aber wie selbstverständlich davon ausgegangen war, dass es sich bei dem Täter um einen Flüchtling handele, sei Ausdruck rassistischer Denkmuster, in der »schwarz« und »böse« gleichgesetzt würden.

»Wir verurteilen jede Form von Gewalt gegen Frauen«, so Jennifer. Der Frauenbereich, zu dem Männer keinen Zutritt haben, sei ein Versuch, Sexismus entgegen zu wirken. Wegen der offenen Strukturen und der damit verbundenen Fluktuation sei eine kontinuierliche Arbeit gegen Sexismus manchmal nicht ganz einfach. Der Frauenbereich, in dem auch Workshops angeboten werden und der heute ein unanfechtbarer Teil der Schule sei, sei aber ein wichtiger Schritt, ergänzt Léa Colson, die ebenfalls schon lange als Unterstützerin aktiv ist.

»Wenn ich lese, dass Frauen hier nicht rumlaufen könnten, ohne angebaggert zu werden, macht mich das richtig wütend«, sagt Taina Gärtner, die als Aktivistin der Mieterinitiative Kotti & Co vor sechs Wochen aus Solidarität ins Camp zog. »Ich hatte hier noch nicht ein unangenehmes Erlebnis, sondern werde mit sehr viel Respekt behandelt«, sagt sie gegenüber »nd«. »Ich will damit nichts verharmlosen oder herunterspielen, aber ich möchte, dass diese falschinformierten Darstellungen aufhören«, so Gärtner, die auch gemeinsam mit Männern in einem Zelt übernachtet. »Ich erlebe auch ständig Sexismus - aber dann, wenn ich das Camp verlasse«, sagt sie.

Die Polizei hatte zunächst keine offiziellen Ermittlungen eingeleitet, weil keine Anzeige vorlag. Seit letzter Woche werde nun aber von Amts wegen ermittelt, so ein Polizeisprecher.

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