Die deutsche Schuld am Sterben
Bundesregierung sorgt für »sichere« Grenzen
Bundespolitiker äußern ihre Betroffenheit angesichts der vielen toten Flüchtlinge im Mittelmeer. Dass Deutschland seinen Teil zu der Tragödie beigetragen hat, verschweigen sie lieber.
»Die wirksame Überwachung der Grenzen ist Kernelement der inneren Sicherheit in Europa.« Mit diesen Worten begründet das Bundesinnenministerium die Abschottung an den europäischen Außengrenzen. Durchgesetzt wird das Grenzregime von der Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen, kurz FRONTEX. Die Bundesrepublik gilt als Wegbereiter der Grenzschützer. Sie stellt pro Jahr hundert Polizeibeamte sowie diverse Einsatztechnik für die Agentur zur Verfügung. Die Akademie der Bundespolizei in Lübeck ist die Partnerschaftsakademie von FRONTEX und organisiert in ihrem Auftrag Fortbildungen für die Grenzpolizeien in Europa. Zudem ist die Bundesrepublik an etwa 20 Prozent des Haushalts der Grenzschutzagentur über ihren Anteil am Etat der Europäischen Union beteiligt.
Deutschland hat in der Vergangenheit viel für die Verschärfung der europäischen Asylgesetzgebung getan. So können Flüchtlinge, die über einen »sicheren Drittstaat« nach Deutschland einreisen, seit 1993 ihr Grundrecht auf Asyl nicht mehr geltend machen. Diese »Drittstaatenregelung« wurde später in europäisches Recht überführt: Durch die Dublin-II-Verordnung wird festgelegt, dass Schutzsuchende in dem Land einen Asylantrag stellen müssen, das sie als erstes betreten haben. Das sind in der Regel die Staaten an der Peripherie der EU. Berlin hat außerdem dafür gesorgt, dass Flüchtlinge EU-weit bis zu 18 Monate in Abschiebehaft genommen werden dürfen.
Trotz aller Schwierigkeiten gelingt es Flüchtlingen immer wieder, sich bis nach Deutschland durchzuschlagen. So harren in Hamburg etwa 80 Afrikaner aus, die vor dem Krieg in Libyen flohen und nach einer halsbrecherischen Überfahrt auf Lampedusa strandeten. Die italienischen Behörden gaben ihnen vor Monaten die notwendigen Papiere, so dass sie ihre Reise nach Norden fortsetzen konnten. Auch sie pochen auf einen sicheren Aufenthaltsstatus. Doch der wird ihnen nach wie vor verwehrt - trotz aller Beileidsbekundungen über das tragische Unglück vor der italienischen Küste, die seitdem durch die Medien geistern.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Linken, unabhängigen Journalismus stärken!
Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.
Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.