Brüsseler Personalpolitik

Die EU findet keinen qualifizierten Nachfolger für ihren Datenschutzbeauftragten

  • Katharina Strobel, Brüssel
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Personalie des Datenschützers Peter Hustinx wirft die Frage auf, wie bei der EU eigentlich Spitzenposten besetzt werden.

Eigentlich wäre Peter Hustinx jetzt im Ruhestand. Der 68-Jährige Niederländer hat Anfang Januar seine zweite Amtszeit, insgesamt zehn Jahre, als Europas oberster Datenschützer vollendet. Aber aus der erhofften ruhigeren Lebensphase wird vorerst nichts. Der Grund: Es ist kein qualifizierter Nachfolger in Sicht. Die einen, darunter der grüne Europaabgeordnete Jan Philipp Albrecht, der sich selbst mit Datenschutz befasst, wittern einen politischen Komplott. Die anderen, darunter der Sprecher des slowakischen Verwaltungskommissars Maros Sefcovic, erklären das Debakel mit dem unglücklichen Umstand der Bewerberkonstellation.

Auf Nachfrage erklärt die Pressestelle der Kommission, von den fünf Kandidaten, die es bis in die Endrunde schafften, hätte keiner über die nötige Kombination aus Vision und der Fähigkeit, effektives Umsetzen zu garantieren, verfügt. Im Klartext: Kein Bewerber hat das Auswahlkomitee überzeugt. Eine neue Ausschreibung ist bereits erfolgt, aber bis es zu einer Entscheidung kommt, dürften mehrere Monate vergehen.

Seit Ende September befassen sich die zuständigen Gremien mit der Nachfolge von Hustinx. Zunächst wurden acht Kandidaten durch die Vorauswahljury, bestehend aus hochrangigen Vertretern der Kommission, des Parlaments, des Rats und des Gerichtshofs der EU, in die engere Auswahl genommen. Nach Bewerbungsgesprächen und erneuten externen Prüfungen kam zum Schluss das eigentliche Auswahlkomitee zum Zuge, ein Gremium, das über langjährige Erfahrungen verfügt. Es setzt sich zusammen aus der Generalsekretärin der Kommission, unabhängigen externen Fachleuten und in diesem Fall Mitgliedern des Parlaments und des Rats. Einstimmig entschied das Gremium, dass der neue EU-Datenschutzbeauftragte nicht unter den Bewerbern ist.

Durch die NSA-Spähaffäre hat die Rolle des Datenschutzbeauftragten enorm an Bedeutung gewonnen. Kritiker fürchten, dass das Personaliendebakel das Amt über die nächsten Monate lahm legen wird. Zwar bleibt Peter Hustinx, bis ein Nachfolger gefunden ist. Aber neue Entscheidungen sind nicht mehr zu erwarten. Und die sind dringend nötig. Die geltenden Regeln für den EU-Datenschutz stammen aus dem Jahr 1995. Eine Reform steht bereits seit zwei Jahren auf der Agenda.

Ob die missglückte Besetzung politisch motiviert ist, lässt sich nicht belegen. Fakt ist, dass die sehnsüchtig erwarteten Reformen durch das Parlament und den Rat beschlossen werden müssen. Schleppende Verhandlungen in den Mitgliedstaaten und die bevorstehenden Europawahlen sorgen für die Verzögerungen. Da könnte auch ein neuer Datenschutzbeauftragter nicht viel ändern.

Andere EU-Spitzenjobs hängen jedoch von Parteibüchern ab und sind am Ende immer ein Ergebnis von Verhandlungen auf der Ebene der Regierungschefs. Der Kommissionspräsident ist so ein Beispiel. Oder auch die Ernennung einzelner Kommissare. Um die Rolle des Präsidenten des Europäischen Rates und des »EU-Außenministers«, des Hohen Repräsentanten, wurde 2009 lange in den Hauptstädten gefeilscht. Die Kabinettchefs werden von den Kommissaren ernannt.

Bei der Besetzung der Spitzenjobs in der Kommission hat allerdings das Europaparlament das letzte Wort. Sind die Abgeordneten von den Kompromissen der Regierungschefs nicht überzeugt, muss der Rat neue Kandidaten vorschlagen. 2004 lehnten die Volksvertreter den von Italien vorgeschlagenen Kommissar Rocco Buttiglione ab, es kam zu Diskussionen und wochenlangem Streit. Am Ende siegte das Parlament - Buttiglione wurde zurückgezogen.

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