Wie läuft Gott?
Miklos Jancsó tot
Seine späten Filme hatten etwas von Samuel Becketts Überzeugung, dass ausgerechnet über Gräbern jedes Gelächter zu tollkräftigsten Klängen gelangt. In »Gottes Laterne in Budapest« sind zwei Totengräber die Helden; am Rand ihrer Gruben steigern sie sich zu übermütigen Nachspielern des Lebens; der gealterte Miklos Jancsó spielt sich selbst und muss aufpassen, dass er von den beiden Narren nicht vorzeitig in die Grube geschubst wird. Vorzeitig oder rechtzeitig? Wer weiß schon, wann welches Wort gilt? Ein Galan des Grotesken, ein Beschwörer des Bizarren war dieser Regisseur, und der vermeintliche Schöpfer war schon einmal zu Filmtitel-Ehren gekommen, dieser Titel »Gott läuft rückwärts« (1990) erzählt alles von Fortschritt und besserer Welt.
Der Name Jancsó erinnert an das gediegene Wissen und die Neugier, mit denen man zu DDR-Zeiten auf die Kinematographien anderer Länder schaute. Eben auch aufs Ungarn von Fabri, Szabo und - Jancsó: »So kam ich«, »Die Männer in der Todesschanze«, »Die Hoffnungslosen«, »Roter Psalm«, »Meine Liebe - Elektra«. Das war denktiefe Poesie, die sich filmisch experimentell, politisch verschlüsselt mit untilgbaren seelischen Folgen von Krieg und Stalinismus, von Ausbruch und Aushalten, von Verheißung und Verrat auseinandersetzte. Der Einzelne in den Fesseln der Macht: Vorwiegend dieser Gedanke wurde hineingegraben in ein lustvoll kompliziertes Bild-Werk, das lieber überbordete als unterforderte. Oft in provokant langsamen, episch fließenden Montagen oder flirrend und feurig.
Nun ist der Regisseur Miklos Jancsó im Alter von 92 Jahren gestorben. hds
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