Eine tief korrupte Organisation

FIFA-Präsident Joseph Blatter ignoriert neue Bestechungsvorwürfe und weiterhin die Toten auf Katars WM-Baustellen

Enthüllungen der »Sunday Times« liefern weitere Beweise für die korrupte Vergabepraxis der Weltmeisterschaften an Russland und Katar. Die FIFA sieht das ganz anders.

Zwei Verhaltensweisen zeigen Menschen, wenn es ihnen schlecht geht. Entweder suchen sie noch mehr die Nähe ihrer Lieben oder schotten sich ab mit ihrem Leid. Joseph Blatter geht es schlecht, zumindest sollte es angesichts der anhaltenden Kritik und neuer Enthüllungen um die Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 an Russland und 2022 an Katar so sein. Und was macht der Präsident des Fußballweltverbandes? Einerseits schottet er sich ab: All jenen, die ihn ständig mit Themen wie Korruption oder den Hunderten toten Gastarbeitern auf Katars WM-Baustellen nerven, entflieht er. Gleichzeitig sucht er das warme Nest seiner Verbündeten - und sendet nur von dort unmissverständliche Botschaften.

Die jüngsten Vorwürfe kommen aus England. Die Zeitung »Sunday Times« veröffentlichte etliche Bestechungsversuche durch Russland und Katar im Vorfeld der doppelten WM-Vergabe im Dezember 2010 - von Geldfluss in Millionenhöhe bis hin zu wertvollen Geschenken wie einem Gemälde von Pablo Picasso. Als einseitig kann man die Enthüllungen nicht bezeichnen, auch dem englischen Fußballverband, der sich um die WM 2018 beworben hatte, wurde schwerwiegendes Fehlverhalten angelastet.

Nun befasst sich ein britischer Parlamentsausschuss mit dem Thema. Für dessen Vorsitzenden John Whittingdale zeichnet die Ansicht aller bisher gesammelten Beweise »ein Bild einer tief korrupten Organisation«.

All das hat Joseph Blatter bei all seinen behaglichen Begegnungen mit Staatspräsidenten oder anderen, ihm wohlgesonnenen Machthabern und natürlich im Kreise seiner Fußballfamilie registriert. Aber er verweigert beharrlich jede kritische Auseinandersetzung. Beim Treffen mit Russlands Staatspräsidenten Wladimir Putin ließ er sich lieber die beeindruckenden Pläne und Fortschritte beim Stadionbau für die WM 2018 zeigen. Dann weilte er eine Zeit lang unter Freunden beim Golf-Cup in Saudi-Arabien.

Zuletzt stand das 60-jährige Jubiläum des asiatischen Fußballverbandes auf seinem Programm. In Manila bezog Blatter Stellung: »Alles, was da in aller Welt erzählt wird, stammt von wem? Von denen, die nicht wirklich dabei waren oder involviert sind, wenn im Fußball etwas passiert.« Ja, leider war nie jemand dabei, der Korruption anrüchig findet und Transparenz nicht für geschäftsschädigend hält. Und wohl nicht grundlos weigert sich die FIFA hartnäckig, den 350-seitigen Untersuchungsbericht ihrer Ethikkommission zu veröffentlichen.

Joseph Blatter jedenfalls bekam in Manila Applaus - tut doch auch gut, wenn es einem schlecht geht. Noch mehr Applaus bekam er von den 400 Anwesenden nach diesem Satz: »Die WM 2022 wird in Katar ausgetragen.« Und die Hunderten Toten auf den WM Baustellen? »Die Firmen sind für die Arbeiter verantwortlich, nicht die FIFA«, findet Blatter.

Korruption hin, Arbeitsbedingungen her. Nasser Al-Khater, Kommunikationschef des katarischen WM-Organisationskomitees sieht das so: »Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Thema die Leute langsam ermüdet.« Bei solch aufmunternden Worten wird es Joseph Blatter bestimmt bald wieder besser gehen.

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