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  • Mietenpolitik in Berlin

Fünf Euro Miete im Neubau

Joachim Oellerich über den leistbaren Wohnungsbau auf landeseigenen Grundstücken

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.

Ihre wohnungspolitische Konferenz hat das Motto »Bauen, bauen bauen - sozial und kommunal«. Das hat sich auch der Senat auf die Fahnen geschrieben. Dennoch fordern Sie eine grundlegende Neuausrichtung der Wohnungspolitik in Berlin. Was macht Rot-Rot-Grün denn Ihrer Meinung nach falsch?

Der Senat behandelt das Thema Wohnungsbau als lästige Pflichtübung. Sein politisches Engagement gilt der Partizipation. Das erste von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung veranstaltete Stadtforum hatte nicht den Wohnungsbau zum Gegenstand, sondern die Beteiligung an den Planungsprozessen. Kein Wunder also, dass die mit den öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften vereinbarten 6000 neuen Wohnungen jährlich, die viel zu wenig sind, noch nicht einmal erreicht werden.

Der Interviewte
Joachim Oellerich ist Chefredakteur der von der Berliner Mietergemeinschaft herausgegebenen Zeitschrift »Mieterecho«. Über die Themen der zusammen mit der Initiative Neuer Kommunaler Wohnungsbau diesen Samstag im IG-Metall-Haus ausgerichteten Konferenz sprach mit ihm für »nd« Rainer Balcerowiak.

Im Mittelpunkt steht für Sie die Forderung nach verstärktem kommunalen Wohnungsbau. Die sechs Wohnungsbaugesellschaften spielen doch bereits jetzt eine große Rolle bei der Schaffung leistbarer Wohnungen.

Die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften sind nur dem Namen nach kommunal. Sie sind privatrechtlich als AGs oder GmbHs verfasst und normale Marktteilnehmer mit kleinen Einschränkungen. Die Mietentwicklung der Kommunalen unterscheidet sich kaum von der Mietentwicklung bei der Vonovia oder der Deutsche Wohnen.

Wohnungsbau in unmittelbarer Trägerschaft des Landes würde erhebliche Mittel erfordern, die möglicherweise den Landeshaushalt sprengen und vor allem mit der »Schuldenbremse« kollidieren würden. Wie könnte diese Klippe umschifft werden?

Öffentlicher Wohnungsbau ist weitgehend nur eine Vermögensumschichtung und berührt deshalb die Schuldenbremse kaum. Kosten, die private Investoren in Anrechnung bringen, einschließlich des Gewinns, entfallen für die Kommune. So müssten landeseigene Grundstücke nicht extra angekauft werden, sie sind unbebaut wie bebaut in kommunalem Eigentum. Auch Steuern würden nicht in die Kostenrechnung einfließen. Alles in allem - das zeigen Musterrechnungen sehr deutlich - wäre Berlin in der Lage, Neubau mit Mieten unter fünf Euro zu erstellen.

Fehlende Wohnungen sind das eine. Aber auch die enormen Mietsteigerungen im Bestand tragen maßgeblich zur Verschärfung der Wohnungsnot bei. Welche Möglichkeiten sehen Sie, dem angesichts der mieterfeindlichen Bundesgesetzgebung wirksam entgegenzusteuern?

Milieuschutzgebiete, Umwandlungsverordnung und Vorkaufsrecht sind Maßnahmen von außerordentlich geringer Wirkung auf die Höhe der Mieten. Gesetzliche Verbesserungen, die das profitable Wirken der Immobilienwirtschaft stoppen können, sind auf Bundesebene, insbesondere bei dieser Koalition, nicht zu erwarten. Dennoch kann auch auf Landesebene mit dem Aufbau einer gemeinwohlorientierten Wirtschaft als Gegengewicht zur profitorientierten Marktökonomie begonnen werden. Ein erster Schritt wäre es, die kommunalen Wohnungsbauunternehmen in Anstalten öffentlichen Rechts oder Eigenbetriebe zu verwandeln. So könnte ein mit dem Wiener Gemeindewohnungsbau vergleichbares Potenzial geschaffen werden.

Auf einem der Podien der Konferenz sind mit dem Flüchtlingsrat und der Initiative »Zwangsräumung verhindern« auch Vertreter von auf dem Wohnungsmarkt besonders benachteiligten Gruppen dabei. Welche Lösungen für den Wohnungsmarkt könnte es für diese Gruppen geben?

Wir brauchen bezahlbare Wohnungen für die gesamte Bevölkerung. Geflüchtete gehören ebenso zur Bevölkerung wie Wohnungslose. Im Gegensatz zu vielen anderen bleiben sie aber im wohnungspolitischen Diskurs unsichtbar. Die Folge ist, dass sich Teile der Wohnungspolitik von der Stadtentwicklung zur Sozialverwaltung zu verlagern beginnen. Unter Umgehung des Planungsrechts werden mit den Modularen Unterkünften (MUFs) stigmatisierende Schlichtwohnungen für marginalisierte Bevölkerungsteile geplant und gebaut. Das ist keine Lösung.

Die von Ihnen vor einigen Jahren mit gegründete »Initiative Neuer Kommunaler Wohnungsbau« (INKW) wird ja auch nach dieser Konferenz weiter aktiv bleiben. Wo sehen Sie mögliche Bündnispartner für ihre Kampagne?

Eigentlich sehen wir Bündnispartner bei allen Berlinern, die auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind. Daran arbeiten wir, und unsere Veranstaltung ist längst nicht unsere letzte Aktivität.

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